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Puls

Puls

Titel: Puls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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es an vielen Stellen, aber Teile des explodierten Busses waren noch erheblich weiter fortgeschleudert worden. Clay sah einige mindestens dreihundert Meter entfernte Baumwipfel brennen. Genau südlich von ihnen stand die Geisterbahn in Flammen, und er konnte etwas sehen - vermutlich handelte es sich um einen menschlichen Rumpf -, das auf halber Höhe des Fallschirmsprungturms brennend zwischen den Stahlstreben hing.
    Der Schwarm selbst hatte sich in rohen Hackbraten aus toten und sterbenden Phonern verwandelt. Ihre Telepathie war zusammengebrochen (obwohl gelegentlich noch kleine Strömungen dieser fremdartigen psychischen Kraft so an Clay zupften, dass ihm die Haare zu Berge standen und er eine Gänsehaut bekam), aber die noch Lebenden konnten weiterhin kreischen, und sie füllten die Nacht mit ihren Schreien. Er hätte sein Vorhaben verwirklicht, selbst wenn er hätte ahnen können, wie schlimm das alles sein würde - auch in den ersten schrecklichen Sekunden bemühte er sich, sich in dieser Beziehung nicht selbst zu belügen -, aber dies überstieg jegliches Vorstellungsvermögen.
    Der Feuerschein war eben hell genug, um ihnen mehr zu zeigen, als sie eigentlich sehen wollten. Die Enthauptungen und Verstümmelungen waren schlimm - die Blutlachen, die abgerissenen Gliedmaßen -, aber die überall verstreuten Schuhe und Kleidungsstücke, in denen niemand steckte, waren irgendwie noch schlimmer, so als wäre die Detonation gewaltig genug gewesen, um den Schwarm buchstäblich zu verdampfen. Ein Mann, der auf sie zugetaumelt kam, hielt sich mit beiden Händen den Hals, um das zwischen seinen Fingern hervorquellende Blut aufzuhalten - das vom Feuerschein des brennenden Hallendachs orangerot verfärbt über seine Finger lief -, während ihm seine Eingeweide vor dem Unterleib hin und her schwangen. Weitere feucht glänzende Darmschlingen glitten hervor, als er mit weit aufgerissenen, blicklosen Augen an ihnen vorbeistolperte.
    Jordan sagte irgendetwas. Wegen der Schreie, der wimmernden Klagelaute und des immer lauter prasselnden Feuers hinter ihnen konnte Clay ihn nicht verstehen, weshalb er sich zu ihm hinunterbeugte.
    »Wir mussten's tun, wir konnten nicht anders«, sagte Jordan. Er starrte eine kopflose Frau, einen Mann ohne Beine und einen Rumpf an, der so aufgerissen war, dass er einem mit Blut angefüllten Boot aus Fleisch glich. Jenseits davon lag ein weiterer Doppelsitz aus dem Bus auf zwei brennenden Frauen, die in enger Umarmung gestorben waren. »Wir mussten's tun, wir konnten nicht anders. Wir mussten's tun, wir konnten nicht anders.«
    »Richtig, Schatz, leg deinen Kopf an mich und geh so weiter«, sagte Clay, und Jordan vergrub sofort das Gesicht in seiner Seite.
    So zu gehen war zwar ziemlich umständlich, aber es ließ sich machen.
    Sie umgingen das Freigelände, das dem Schwarm als Nachtlager gedient hatte, und erreichten den rückwärtigen Teil der Mittelstraße, an der die Fahrgeschäfte gestanden hätten, wenn der Puls nicht dazwischengekommen wäre. Während sie unterwegs waren, brannte die Kashwakamak-Halle heller, und der Feuerschein ließ sie die Einzelheiten besser erkennen. Dunkle Gestalten - viele nackt oder fast nackt, weil die Druckwelle ihnen die Kleidung vom Leib gerissen hatte - taumelten und schlurften ziellos durcheinander. Clay konnte nicht einmal schätzen, wie viele es waren. Die wenigen, denen ihre kleine Gruppe begegnete, ließen keinerlei Interesse an ihnen erkennen; sie schlurften entweder zur Mittelstraße weiter oder torkelten in die Wälder westlich des Expo-Geländes, in denen sie - da war Clay sich sicher - vor Entkräftung sterben würden, wenn es ihnen nicht gelang, wieder eine Art Kollektivbewusstsein herzustellen. Er bezweifelte aber, dass ihnen das gelingen würde. Teils wegen des Virus, aber vor allem auch wegen Jordans Entschluss, mit dem Bus mitten in den Schwarm hineinzufahren, um die größtmögliche Sprengwirkung zu erzielen, nicht anders als sie es zuvor mit den Gastankwagen gemacht hatten.
    Hätten sie gewusst, dass der Mord an einem einzigen alten Mann solche Folgen haben könnte, dachte Clay, und dann fragte er sich: Aber wie hätten sie das ahnen können?
    Sie erreichten einen unbefestigten Parkplatz, auf dem die Schausteller ihre Pick-ups und Wohnmobile abgestellt hatten. Hier war der Erdboden mit einem Gewirr aus Elektrokabeln bedeckt, und die Lücken zwischen den Wohnmobilen waren mit dem Besitz von Familien ausgefüllt, die dem fahrenden Volk angehörten:

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