Pulverturm
entschuldigte sich, bevor sie einen Ton sagen konnte.
»Ich habe interessante Neuigkeiten«, sagte er.
»Und ich erst«, lautete ihre Antwort.
»Wer zuerst?«, fragte Schielin
»Du«.
»Also gut. Ich habe vermutlich die Frau und das Kind auf dem Bild gefunden. Sie heißt Yulia Kavan und wohnt in Lustenau«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille.
»Hey, was ist. Jetzt bist du dran«, forderte Schielin.
Er hörte wie Lydia aufgeregt ausatmete und sagte: »Yulia Kavan ist seine Frau.«
»Welche Frau?«
»Yulia Kavan ist die Ehefrau von Ottmar Kinker. Sie hat ihren Namen behalten. Und Ottmar Kinker hat Yulias Tochter Nadja adoptiert. Unser Ottmar Kinker hatte eine Familie.«
Conrad Schielin wäre gerne stehen geblieben, was aber gerade nicht möglich war. Er nahm kurz beide Hände ans Lenkrad, konzentrierte sich auf den Verkehr, las das Firmenemblem Rupp Käsle am Gebäude rechts der Straße. Das war alles sehr überraschend. Lydias Stimme war aus dem Handylautsprecher zu hören.
Er sagte nur: »In einer Viertelstunde bin ich auf der Dienststelle. Große Besprechung. Fahndung nach dem Jaguar eine Nummer höher hängen.«
Sie sagte: »Wir müssen dringend mit dieser Yulia Kavan sprechen. Sie und ihre Tochter sind im Testament als Alleinerben aufgeführt. Du weißt, was das bedeutet.«
Schielin wusste sehr genau, was das für die Ermittlungen bedeutete. Es gab kaum ein besseres Motiv für einen Mord. Noch dazu, wenn das Erbe so voluminös war, wie er vermutete. Während er die Kurvenkombination am alten Grenzübergang in Ziegelhaus nahm und die Bregenzer Straße stadteinwärts fuhr, waren seine Gedanken etwas geordneter. Es war möglich, dass Ottmar Kinker in die Falle einer schwarzen Witwe geraten war. Wenn das aber nicht der Fall war, dann befanden sich Yulia Kavan und ihre Tochter unter Umständen selbst in Gefahr. Sie mussten diesen Linzer Lodl erwischen.
*
Vor dem Eingang zur Kripo Lindau rangierte ein Kleintransporter. Schielin stellte sein Auto auf dem Besucherparkplatz der Polizeiinspektion ab, die im gleichen Hof gegenüber lag. Im Eingang zur Kripodienststelle standen Kimmel und Gommert. Lydias blonder Schopf war dahinter zu erkennen. Gommert war sehr aufgeregt, was an seinem hektischen Gehüpfe zu erkennen war. Außerdem schwieg er. Immer wenn er aufgeregt war, brachte er kaum einen Ton heraus. An der Aufschrift, die an dem riesigen Karton prangte, die zwei Männer in die Dienststelle schleppten, wurde deutlich, dass der neue Drucker geliefert wurde. Schielin wartete ab, bis der Eingang frei war, und ging dann schnurstracks zum Büro. Lydia wartete schon. »In einer halben Stunde ist große Runde mit allen.«
Er nickte, holte das Foto hervor und betrachtete die Gesichter von Yulia und Nadja Kavan. Lydia schob ihm einen ganzen Stapel Kopien herüber, das Testament, beglaubigte standesamtliche Urkunden ukrainischer Behörden, die Heirat und vor allem die Adoption betreffend. Schielin überflog das Testament. Ottmar Kinker nutzte sein Reichtum jetzt nichts mehr.
»Sie haben in Lustenau geheiratet«, stellte der nüchtern fest.
»Ja. Vor vierzehn Tagen. Die Unterlagen waren noch auf dem Dienstweg. Daher hatte unser Standesamt noch keine Informationen.«
»Mhm. Was ist mit dieser Adoption. Soweit ich weiß, dauert das doch immer eine halbe Ewigkeit.«
»Bei uns schon. Aber in der Ukraine geht das offensichtlich innerhalb weniger Tage.«
Im Gang waren laute Gespräche zu hören. Robert Funk und Adolf Wenzel gaben Gommert gute Ratschläge. Kartons wurden zerrissen.
Schielin deutete auf die Kopien. »Das ändert natürlich die Sachlage. Ich meine … sie erbt alle Wohnungen, das gesamte Barvermögen … und das sind ja nur die Werte, die uns respektive dem Finanzamt bekannt sind. Ich denke mal, da existiert in irgendeinem schlichten Bankgebäude noch ein hübsches kleines Schließfach mit einer soliden Grundausstattung – Bargeld, Gold, vielleicht ein, zwei Diamanten.«
»Da könntest du durchaus recht haben. Das Testament ändert aber auch die Sicht auf die Familie. Ich weiß nicht so recht, wie das bei denen geregelt ist, aber nur mal angenommen, die haben irgendwie von dem, was da drinnen steht, Wind bekommen. Also, was ist, wenn diese Helmtraud und Meta Kinker von diesem Testament wussten? So wie die beiden drauf sind … na, aber hallo.«
Schielin nickte. »Ich frage mich, was die beiden mehr schockiert: dass er geheiratet und ein Kind adoptiert hat oder dass, was im Testament steht.
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