Pulverturm
ich sie auch gefragt, und woher sie sich mit Autos so auskennt. Sie hat mir erzählt, dass die rote Züchterkiste am Sonntagmorgen am Stiftsplatz geparkt hat und dass sie gesehen hat, wie eine geschleckte Zuhälterfigur mit Geleebirne in Kirche geht. Schaute aus wie italienischer Fußballspieler, fährt aber englischen Klimakiller mit Ösi-Zulassung. Da hat sie mächtig Verdacht gekriegt und gleich observiert, mit Viagra-Emil als Belastung. Sie ist dann beim Hotel draußen rausgekommen, Bad Schachen. Das Auto war am Sonntagabend noch dort gestanden. Hat sie im Nachtdienst gleich noch nachgesehen. Fix, wirklich fix.«
»Wir fahren raus und prüfen das. Vielleicht ist er noch da«, sagte Schielin und dachte daran, dass er Ronsards Termin beim Hufschmied würde absagen müssen.
»Und wenn er da ist?«, frage Kimmel.
»Dann haben wir ihn.«
»Aber dann kommen Wenzel und Funk zur Sicherheit mit«, ordnete Kimmel an und wandte sich Gommert zu. »Und du schaust, dass das teure Ding da draußen bis morgen funktionsfähig ist, klar.«
Erich Gommert nickte selbstsicher.
Kimmel erledigte Schriftkram, und Gommert schaffte die alten Drucker weg. Der neue war nicht nur teuer, sondern auch sehr, sehr schnell. Er würde als zentraler Dienststellendrucker fungieren. Die neuen Zeiten waren eben nicht aufzuhalten. Als die anderen sich auf den Weg zum Hotel Bad Schachen machten, wartete Gommert einen günstigen Augenblick ab und schnappte sich Funk.
»Du sog emole. Wieso heißt der Emil auf amole Viagra-Emil. Hob ich des denn vorhin recht gehört, war da was?«
»Ja, weil er halt immer nur rumsteht, der Emil«
Schielin und die anderen fuhren zum Hotel Bad Schachen. Erst inspizierten sie den Parkplatz. Der rote Jaguar war nicht zu entdecken. Ein freundlicher Herr am Empfangsschalter gab ihnen dann die Information, dass Herr Josef Pawlicek am heutigen Vormittag ausgecheckt hatte. Mehr war nicht zu erfahren.
Sie fuhren frustriert zurück. Als er sich verabschiedete, rief ihn Wenzel nochmal zurück.
»Du, bevor ich vergesse. Ich habe zwar schon Notizzettel geschrieben, aber vielleicht ist es wichtig. Zwei Anrufe für dich heute. Eine Frau Präg und dann noch ein Doktor … Dähge, oder so einer.«
»Deeke«, sagte Schielin und betonte die beiden e. »Das war der Busendoktor, der den Kinker gefunden hat. Vielleicht ist dem noch was eingefallen.«
»Gut«, meinte Wenzel zufrieden, »und Präg sagt dir auch was?«
»Das ist die Sekretärin von Aureum-Immobilien in Ravensburg.«
»Also, sozusagen deren Gommert.«
Beide lachten.
»Ach ja, und noch was. Ich habe versucht, den Neffen von Meta Kinker zu erreichen. Der heißt Waldemar Kunze und wohnt in der Kemptener Straße. Zweimal war ich schon dort, aber der war nicht zu Hause. Habe erfahren, dass er keine Arbeitsstelle hat … lebt aber in geordneten Verhältnissen. Ist so ein Armeefreak, weißt schon, Uniformen und so … ist bei den Fallschirmspringern gewesen.«
Schielin machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das hat Zeit. Im Moment sind wir ja dick mit anderem beschäftigt. Probier’s einfach irgendwann noch einmal. Ich hoffe nur, dass wir diesen Pawlicek bald haben.«
Wenzel stimmte ihm zu, und Schielin ging. Er war froh, dem Hufschmied noch nicht abgesagt zu haben.
Zu Hause war von den Mädchen nichts zu sehen. Marja übersetzte schon wieder, so zog er einige Scheiben Käse ab, nahm ein paar Lagen Schinken, wusch Tomaten, hackte etwas Basilikum mit Schalotten und verzog sich mit dem Tablett in ihr Arbeitszimmer. Hinter dem Regal mit Fachbüchern stand noch eine halbe Flasche Beaujolais Villages. Auf ihre Frage, ob er denn trinken dürfe, weil er noch fahren müsse, ging er nicht ein. Ein Achtel Rotwein sollte das Problem nicht sein.
Sie sprachen kurz die wichtigen Dinge durch. An der Pubertätsfront herrschte derzeit beunruhigenderweise Frieden. Er fragte, ob sie von diesem Burschen mit dem wilden Aussehen wisse. Sie lächelte nur und meinte, er müsse sich keine Sorgen machen, es sei eigentlich ein ganz Braver. Er frage nicht nach, was unter eigentlich zu verstehen war.
*
Nachdem er geduscht hatte, machte er sich auf zur Weide. Es war wie eine Befreiung. Kaum hatte er den Tag von sich abgewaschen und die alten, nach Pferdemist, Salzsteinen und Heu duftenden Klamotten angezogen, fühlte er den anderen Menschen in sich. Die Belastung aus der Beschäftigung mit den Abgründen im Leben anderer, die immer kreisenden Gedanken, dazu der Druck, nichts zu übersehen,
Weitere Kostenlose Bücher