Pulverturm
oder andere Körperverletzung. Eine stattliche Liste. Der letzte Eintrag jedoch elektrisierte Schielin. Mord, war da zu lesen, Mord. Er legte die Papiere zu Seite und wartete bis Walther Lurzer das Telefonat beendet hatte. Eines schien klar zu sein: Dieser Josef Reginald Pawlicek war ihr Mann.
Walther Lurzer nahm die Ausdrucke nun entgegen und überflog sie. Er sah über die Blätter hinweg fragend zu Schielin. Der nickte. »Sicher ist das unser Mann. Rotlichtmilieu, gewalttätig und die Karriere mit Mord begonnen. Ein Zuhälter, oder?«
»Zweifelsfrei. Aber dann ist ja auch klar, dass man dieser Liste da nicht so eine Bedeutung beimessen kann. In diesem Milieu sammelt man Anzeigen wie andere Briefmarken.«
»Stimmt schon. Aber dieser Mord gleich am Anfang ist schon starker Tobak. Und auf der Liste stehen ja nur die Delikte, die bekannt geworden sind. Wer weiß, was da sonst noch lauert.«
»Mhm. Stimmt schon. Ist allerdings auch schon lange her, das mit dem Mord. Dreiundzwanzig Jahre. Die Delikte sind übrigens chronologisch geordnet, und das ergibt ein interessantes Bild.
Dieser Pawlicek beginnt sein kriminelles Leben vor fast einem Vierteljahrhundert mit einem Mord. Dann folgt die Haft, ich schätze mal acht Jahre Jugendzuchthaus, und als er wieder raus ist, geht es flott weiter mit Prostitutionsdelikten und Körperverletzungen, et cetera, fast im Wochenrhythmus. Aber dann ist plötzlich Schluss. In den ganzen letzten Jahren war überhaupt nichts mehr.«
»Er ist also ein anständiger Bürger geworden, der pünktlich seine reichhaltigen Steuern zahlt, samstags seine Autos wäscht und froh ist, wenn die Gendarmen in der Straße vor seiner Villa öfter mal nach dem Rechten sehen.«
Lurzer lachte. »Das könnte sein. Aber es ist da noch etwas anderes. Ist irgendwie komisch.«
Schielin wartete, denn sein Kollege unterbrach und dachte nach.
»Es muss ja nicht sein, dass da ein Zusammenhang besteht, aber vor etwa zwei Wochen habe ich einen Anruf bekommen. Ein Kollege aus Linz hat sich hier gemeldet und bat um Unterstützung. Es ging um ein Ermittlungsverfahren im Prostitutionsmilieu. Und dieser Pawlicek, der stammt doch aus der Linzer Gegend.«
»Die Linzer haben den Namen Pawlicek also nicht ins Spiel gebracht«, fragte Schielin.
Walther Lurzer schüttelte nachdenklich den Kopf. »Nein. Überhaupt nicht. Es war etwas völlig anderes. Ich sollte den Wohnort einer Frau überprüfen.«
Schielin zuckte mit der Schulter. »Mhm. Und warum?«
»Der wollte nur wissen, ob diese … Yulia Kavan … hieß sie … tatsächlich unter der Meldeadresse wohnhaft ist. Mehr nicht. Ich habe das überprüft, und die Kollegen waren damit zufrieden.«
Schielins Handy klingelte. Auf dem Display leuchtete Lydia. Schielin drückte das Gespräch weg, weil ihn das hier im Moment mehr interessierte. »Und was ist so seltsam daran?«
»Na ja. Ich war halt dort, weißt du. Diese Yulia Kavan ist Ukrainerin und wohnt in Lustenau. Sie arbeitet in einem Büro. Da sind sie froh, jemanden zu haben, der gut russisch sprechen kann. Jedenfalls war das eine ganz angenehme Frau. Die passt überhaupt nicht in diesen Rotlichtsums. Sie hat eine ganz nette, aufgeweckte Tochter.«
Schielin beugte sich langsam nach vorne und fragte. »Eine Tochter?«
»Ja. So um die zehn Jahre alt.«
»… mit glatten, schwarzen Haaren?«
»Ja.«
Schielin stand auf. »Verdammt. Jetzt habe ich das Bild nicht dabei.«
»Welches Bild?«
Schielin erklärte ihm, woran er gerade dachte. Dann beschrieb er die Frau auf dem Bild so gut er konnte.
»Ja. Das passt alles. Das könnte sie durchaus sein.«
Sie überlegten beide, wie sie weiter vorgehen wollten.
Walther Lurzer begann als Erster zu sprechen. »Also ich fordere die Freigabe der Ermittlungsunterlagen bei den Linzer Kollegen an. Das ist ja kein Problem, da wir schon in das Verfahren eingebunden sind. Diese Mordakte vom Pawlicek lasse ich auch kommen. Das ist für deinen Fall sicher interessant. Den formellen Kram erledigen wir, wenn absehbar ist, dass du das Material verwenden wirst.«
»Gut. Und ich besorge mir die Bildabzüge vom Josef R-Punkt. Die aus dem Elektromarkt. Es wäre mir recht, wenn du mit den Dingern zu dieser Yulia fahren könntest. Außerdem stelle ich umgehend ein offizielles Ermittlungsersuchen. Schadet sicher nicht.«
*
Auf dem Rückweg hatte er kaum Augen für den fantastischen Blick über die Bregenzer Bucht, hinüber nach Lindau. Lydia fiel ihm wieder ein. Er wählte ihre Nummer und
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