Punktlandung in Sachen Liebe (German Edition)
vor allem – an der Erkenntnis, dass sie nun zu spät zu der Hochzeit kommen wird, zu der sie eigentlich gar nicht gehen wollte, und dieser elende kleine Schicksalsschlag bringt sie beinahe zum Weinen.
Das Abfertigungspersonal hat sich hinter dem Tresen versammelt, und alle sehen ungeduldig und mit gerunzelter Stirn zu ihr rüber. Der Bildschirm hinter ihnen zeigt bereits den nächsten Flug von New York nach Heathrow an, der erst in über drei Stunden geht, und es ist offensichtlich, dass nur noch Hadley ihrem Dienstschluss im Weg steht.
»Es tut mir leid, Miss«, sagt eine der Angestellten mit hörbar unterdrücktem Seufzen. »Wir können nicht mehr tun als zu versuchen, Sie im nächsten Flug unterzubringen.«
Hadley nickt trübsinnig. Die letzten paar Wochen hat sie sich heimlich gewünscht, dass genau so etwas passieren möge, auch wenn ihre Szenarien zugegebenermaßen etwas dramatischer ausgefallen waren: ein umfassender Streik des Flugpersonals, ein historischer Gewittersturm mit Hagel, eine lähmende Grippeattacke oder gar Masern, die sie am Fliegen hindern würden. Lauter gute Gründe, warum sie leider nicht dabei sein konnte, wenn ihr Vater einer Frau sein Jawort gab, die sie noch nie gesehen hatte.
Aber vier Minuten zu spät zum Flugsteig zu kommen, klingt einfach etwas zu passend, fast ein wenig verdächtig, und Hadley ist nicht ganz sicher, ob ihr Vater und ihre Mutter einsehen würden, dass nicht Hadley an allem schuld war. Vermutlich wären ihre Eltern in diesem seltenen Fall einmal einer Meinung.
Hadley selbst hatte die Idee gehabt, das Probedinner am Vorabend sausen zu lassen und erst am Morgen der Hochzeit in London anzukommen. Sie hat ihren Vater seit über einem Jahr nicht mehr gesehen, und sie konnte sich nicht vorstellen, mit allen ihm wichtigen Menschen einen Raum zu teilen und auf seine Gesundheit und sein Glück zu trinken, auf den Anfang seines neuen Lebens – mit all seinen Freunden und Kollegen, diese kleine Welt, die er sich selbst ein Weltmeer weit weg aufgebaut hat. Wäre es nach ihr gegangen, hätte sie nicht mal an der Hochzeit teilgenommen, doch das war nicht verhandelbar, wie sich herausstellte.
»Er ist immer noch dein Vater«, erinnerte ihre Mutter sie ständig, als könnte Hadley das vergessen. »Wenn du nicht hingehst, wirst du es später bereuen. Ich weiß, mit siebzehn kannst du dir das nur schwer vorstellen, aber glaub mir: Eines Tages wirst du es bereuen.«
Hadley ist sich da nicht so sicher.
Die Frau von der Fluggesellschaft bearbeitet inzwischen mit beinahe wütender Heftigkeit ihre Tastatur und lässt dabei ihren Kaugummi knallen. »Sie haben Glück«, sagt sie und hebt beide Hände in einer überschwänglichen Geste. »Ich kann Sie heute Abend noch in der Maschine um zehn Uhr vierundzwanzig unterbringen. Platz 18 A. Am Fenster.«
Hadley traut sich kaum zu fragen, tut es aber trotzdem: »Und wann kommt der Flug an?«
»Neun Uhr vierundvierzig«, sagt die Angestellte. »Morgen früh.«
Hadley sieht die zarte Kalligrafie auf der elfenbeinfarbenen Hochzeitseinladung vor sich, die seit Monaten auf ihrer Kommode steht. Die Feierlichkeiten beginnen morgen um zwölf Uhr mittags, und das heißt, wenn alles nach Plan läuft – der Flug und der Weg durch den Zoll, die Taxis und der Verkehr, wenn das Timing haargenau stimmt – besteht immer noch die Chance, dass sie rechtzeitig ankommt. Wenn auch nur knapp.
»Einsteigen können Sie hier an diesem Gate ab einundzwanzig Uhr fünfundvierzig«, sagt die Angestellte und reicht ihr die Papiere, alle ordentlich in einem kleinen Umschlag gefaltet. »Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Flug.«
Hadley schiebt sich in Richtung Fenster und überblickt die Reihen trist graubrauner Sitze, die meisten davon belegt, bei den anderen quillt gelbe Füllung aus den Nähten wie bei vielgeliebten Teddys. Sie stellt ihren Rucksack auf den kleinen Handgepäckkoffer und wühlt nach ihrem Handy, scrollt im Telefonbuch nach der Nummer ihres Vaters. Er ist unter dem Titel »Der Professor« aufgelistet – das Etikett hat sie ihm vor ungefähr anderthalb Jahren angehängt, kurz nachdem er ihr mitgeteilt hatte, dass er nicht nach Connecticut zurückkehren werde, denn das Wort »Dad« rief bei jedem Aufklappen des Handys nur unschöne Erinnerungen wach.
Jetzt schlägt ihr Herz schneller, als sein Telefon zu klingeln anfängt; er ruft zwar ziemlich oft an, aber sie kann an einer Hand abzählen, wie oft sie seine Nummer gewählt hat. Drüben
Weitere Kostenlose Bücher