Puppenbraut: Psychothriller (German Edition)
offensichtlich die polizeiliche Kontrolle passiert.
„Ivy, wie schön, dass du da bist!“ Raffaella versuchte krampfhaft, ihre stets korrekte Haltung wiederzuerlangen. Es gelang ihr nicht so recht.
Aus einem tiefen Bedürfnis heraus ging sie automatisch auf Ivy zu und umarmte sie. Im Normalfall war es eher ungewöhnlich, weil Ell für diese Art von Spontanität nichts übrig hatte. Dennoch. Genau in diesem Augenblick fühlte sich die sonst beherrschte, eloquente Psychologin wie ein verlorenes Kind. Während sie sich ihr Leid von der Seele schluchzte, schwieg Ivy.
So abrupt, wie Raffaella die eigene Ohnmacht überrannte, war sie wieder vorüber. Die Zeit zum Weinen war noch nicht gekommen. Sie musste Doreen finden!
„Ivy, Schätzchen!“ Mit diesen Worten löste sie sich aus der Umarmung. „Könntest du heute bei Cassy bleiben? Ich werde...“, sie berichtigte sich, “…ich muss Doreen suchen. Ich möchte nicht, dass sie hier allein aufwacht, ok? Du bist fast wie eine Mutter für sie...“
„Ell, du weißt doch, dass du mich nicht zu fragen brauchst, oder?“ Wunderschöne, große Rehaugen schauten die Psychologin anklagend an. Raffaella wusste, dass sie diese Frage nur formalitätshalber stellen musste. Und auch, dass sie Ivy damit gleichzeitig verletzen würde. Sanft küsste sie die junge Frau auf die Stirn, was ihr ‘normalerweise’ ebenfalls fremd war und damit umso mehr ihre Dankbarkeit zum Ausdruck brachte.
„Ich bleibe für euch jederzeit erreichbar und komme morgen pünktlich zur Chefarztvisite wieder, ok? Und... Danke, Ivy!“
„Kein Thema! Mich kriegen hier keine zehn Pferde weg!“ Das leichtfertige Lächeln sollte aufmuntern. Es hatte die gewünschte Wirkung verfehlt. Ivy schaute etwas ernster. „Finde sie, Ell!“
Bevor Raffaella etwas entgegnen konnte, wachte Cassy auf. Es war an der Zeit, ihrem kleinen Mädchen etwas Aufmerksamkeit zu schenken, bevor sie aufbrach, ihr großes zu suchen.
KAPITEL 16
Nur langsam öffnete Doreen Bertani die Augen. Ihr Schädel pochte so sehr, dass sie dachte, er würde gleich in einzelne Atome zerspringen. Mit einem Handgriff wollte sie ihre Haare von der Stirn entfernen, doch sie konnte ihre Hand nicht mehr bewegen. Sie gehorchte ihr einfach nicht mehr. Was war bloß mit ihr los? Warum bereitete ihr plötzlich jede Bewegung so viel Mühe? Und diese furchtbaren Kopfschmerzen.
Doreen ahnte nicht im Geringsten, dass jede ihrer Bewegungen bereits von einer Person im Raum wahrgenommen wurde. Während der Mann ihr stillschweigend zusah, wie sie zunehmend ihr Bewusstsein wiedererlangte, genoss er wahrlich die Trägheit ihrer Bewegungen. Nun hatte er sie beide! Endlich hatte er eine Familie.
„Wo bin ich?“, flüsterte sie mit gebrochener Stimme. Ihre Augen gewöhnten sich immer mehr an die Dunkelheit des Raumes. Schwache Sonnenstrahlen drangen durch die dicht gewebten Vorhänge. Dankbarkeit erfüllte sie, dass man ihr erspart hatte, sich noch auf die Helligkeit der untergehenden Sonne einzustellen. Der Herbst hatte den Sommer faktisch noch immer nicht abgelöst.
„Bei mir bist du! Wieder bei mir!“, hörte sie eine männliche Stimme. Der Klang kam ihr sehr bekannt vor... Als hätte sie ihn schon mal gehört. In ihrem Kopf schwirrten Gedanken wie kleine, lästige Insekten an einem schwülen Sommertag. Die Pritsche, auf die man sie gelegt hatte, stank nach Moder und war unbequem. Sie spürte alle ihre Knochen und hatte das Bedürfnis, sich zu übergeben. Doreen fühlte sich wie in einem rasenden Zug.
„Na, na...“, sagte er mit spöttischem Unterton. „Ich merke, dass das Mittel langsam nachlässt. Wir wollen nicht riskieren, dass du dir wehtust!“ Im gleichen Augenblick stand er auf und holte eine angebrochene Packung Kabelbinder. Während sie erneut versuchte, ihre Gedanken zu fokussieren, verspürte sie einen Druck am Handgelenk.
„So!“, setzte er fort. „Ich binde deine Gelenke am Bett fest, damit du keine Dummheiten machst. Du hast von mir eine kleine Dosis eines Mittels bekommen, daher hast du geschlafen, Mutter. Ich wollte dich morgen bei uns haben!“ Der Mann beugte sich direkt über Doreen und schaute ihr in die Augen. Just in diesem Moment wusste sie, wer ihr Entführer war. „Ich werde sie finden, weißt du noch? Das habe ich dir damals versprochen! Und sie ist jetzt bei mir!“
„Was wollen Sie von mir?“ Ganz offensichtlich war dieser Mann übergeschnappt. „Lassen
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