Puppenbraut: Psychothriller (German Edition)
„Ist das alles, was in diesem Raum stand?“
„Ja“, antwortete sie leise. „Nur noch ein Bett. Nicht einmal Stühle wie in diesem Zimmer!“
Hörbare Schritte im Flur. „Abendbrot, meine Damen! Heute früher, denn ich muss noch zur Arbeit!“, hörten sie seine zum Erbrechen fröhliche Stimme. Es hörte sich an, als stiege er hinab. Sie waren in einem Souterrain – aufgrund der Fenster, schlussfolgerte Doreen. Wenn nicht bald ein Wunder geschähe, wären sie geliefert!
*****
Raffaella Bertani bog in eine kleine Straße ein. Für das korrekte Parken wollte sie ihren kostbarsten Schatz nicht verschwenden: ihre Zeit. Sie hatte kein großes Bedürfnis, in den Park zu gehen. Dort wimmelte es inzwischen von Cops. Sie musste sich nochmal zu Hause umschauen.
‘Was hast du bloß entdeckt, Ree, dass man dich dafür entführt hat?’
Auf den ersten Blick erschien das Haus so, als wäre ihre Familie immer noch da. In der Spüle tummelte sich dreckiges Geschirr vom Frühstück. Die Kaffeekanne war halb voll. Die beiden hatten es offensichtlich sehr eilig, deduzierte Raffaella. Unter lockeren Umständen hätte Doreen die Wohnung bestimmt nicht so verlassen.
Auf dem Küchentisch lag ihr Leihcomputer, daneben ein Stapel voller Zettel, die sie heute noch durchgehen musste. ‘Das wird eine lange Nacht’, dachte sie und drehte sich um, um sich einen Schluck von dem alten, abgestandenen Kaffee zu nehmen. Just in diesem Augenblick, als sie zur Tasse aus dem Hängeschrank greifen wollte, fiel ihr ein greller Zettel auf, den Doreen offenbar an die Tür gepinnt hatte.
Was sollte diese seltsame Nachricht über irgendwelche Flyer? Und warum hatte Doreen genau diese zwei Zettel aufgeschrieben? Hätte sie gewusst, dass der dritte sich abgelöst hatte und jetzt unter dem Kühlschrank lag, so hätte sie vermutlich den anderen beiden nicht so einen großen Wert beigemessen. Ein fataler Fehler, den Ree unterschätzt hatte, weil sie nicht wusste, wie nah sie damit dem Killer gekommen war. Raffaella klebte die beiden Schnipsel auf den Küchentisch und fing an, die Unterlagen nach Hinweisen durchzuschauen.
KAPITEL 17
In dem kleinen Besprechungsraum des FBI, im Herzen von New York City, roch es nach frisch aufgebrühtem Kaffee. Der Abend hatte noch nicht richtig begonnen, und trotzdem war klar, dass diese Nacht durchgearbeitet wurde. Diesmal wurde das gesamte Team angesetzt. Man hoffte endlich auf einen Durchbruch im Fall des „Dolly-Lovers“.
Scott Goodwin, der Leiter des Teams, das aus den besten Profilern bestand, die das FBI zu bieten hatte, schaute ostentativ auf seine Uhr am Handgelenk. Es war kurz vor sechs Uhr am Sonntagabend. Es war die Zeit für einen Scotch, klassische Musik und die Ledercouch seines Single-Appartements in Manhattan. In seiner Fantasie malte er sich aus, wie er genau jetzt das Getränk langsam in den Mund ziehen, schlürfen und spülen würde, bis es ein rundes Geschmackserlebnis ergab. Das Aroma des Feierabends!
‘Vielleicht nächstes Wochenende’, dachte er wehmütig, obwohl er eigentlich wusste, dass er es seinem pubertierenden Sohn zu widmen versprochen hatte. Seine Ex-Frau wollte mal wieder ein freies, sorgenfreies Wochenende feiern.
In der Besprechungsrunde fehlte noch Dr. Bryan Goseburn, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Individualpsychologie. Als Einziger in der gesamten Runde besaß dieser Mann so etwas wie eine gut funktionierende Beziehung, zur Pflege derer er mit seiner Ehefrau für gewöhnlich sonntags in feinen Lokalen speiste. Ihn zu dieser Zeit zu erreichen, war eine hohe Anforderung an Josh McMelma, dem besten IT-Spezialisten des Teams, die er jederzeit spielend zu erfüllen wusste.
Wie er es schaffte, konnte Scott Goodwin beim besten Willen nicht sagen. Zumal Bryan das Handy stets ausmachte, um in seiner Freizeit nicht durch die Arbeit gestört zu werden. Was ihm leider nichts nützte, da Restaurants über eigene Telefonleitungen verfügten. In dem blutjungen Körper von Josh McMelma lauerte eben langjährige Erfahrung eines Profis auf seinem Gebiet.
Die mit Abstand attraktivste Dame dieser Runde war Angel Davis. Die hübsche Blondine Mitte dreißig, die eine ganz steile Karriereleiter gewählt hatte, war Scotts rechte Hand. Mit ihr arbeitete er am liebsten, nicht zuletzt wegen ihres sehr ansprechenden Äußeren. Angel verstand es hervorragend, Männer so zu manipulieren, dass sie aus jedem von ihnen ein Geständnis herausbekam.
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