Puppengrab
Pumphose aus.
»Du liebe Güte.« Neil trat von dem Tisch zurück und fuhr sich mit der Hand über den Nacken. »Du liebe Güte«, wiederholte er.
»Was ist los?«
»Und die dritte hatte eine Bluse an, die nicht zu ihr passte, stimmt’s?«
»Ja. Neil …«
»Ich muss telefonieren.« Er hielt Beth an beiden Schultern umklammert. »Vertraust du mir?«
Sie schüttelte den Kopf. Es wirkte weniger wie eine Verneinung als wie eine Geste der Verwirrung. Als könne sie mit der Bewegung die Dinge wieder an ihren richtigen Platz befördern. »Ja, aber warum …«
»Bitte tu mir einen Gefallen und pack die Puppen wieder ein. Ich will sie ins Labor schicken.«
»Du machst mir Angst, Neil.«
»Ich weiß.« Er fürchtete sich inzwischen auch vor sich selbst. »Wo wohnt Mrs. Chadburne? Ich muss mit ihr sprechen.«
»Das weiß ich nicht. Ich kenne nur ihre Telefonnummer in Boise, aber das könnte auch eine Handynummer sein. Ich wusste gar nicht, dass sie hier ist, bis du mir davon erzählt hast. Neil, was geht hier vor?«
»Ich denke, dass Chevy Bankes Mrs. Chadburne kennt. Und er hat womöglich ihre Puppen dazu benutzt, um an dich heranzukommen.«
Sie starrte ihn an. »Das kapiere ich nicht.«
»Ich auch nicht. Noch nicht.«
»O Gott, Neil. Wenn Bankes sie kennt …«
Er legte ihr einen Finger an die Lippen. »Du tust es schon wieder, Beth. Ziehst voreilige Schlüsse. Wenn sie sich kennen, dann nur deswegen, weil Bankes sie braucht. Er wird ihr nichts antun.«
Zumindest jetzt noch nicht, dachte Neil, ohne den Gedanken laut auszusprechen.
Chevy bewegte sich, doch es gelang ihm nicht, eine bequemere Position zu finden. Verdammtes Eichenholz. Obwohl Beths Pullover unter seinem Kopf lag, fühlte es sich so hart wie Stein an.
Er schloss die Augen, obwohl er sich nach Licht sehnte, und lauschte angestrengt auf die Köder-Frau in Beths Haus. Er konnte sie gut hören, wenn sie sich im Wohnzimmer oder in der Küche aufhielt, weniger gut, wenn sie sich in einem der Schlafzimmer befand. Im Augenblick war sie ganz sicher im oberen Stockwerk, da vor einigen Minuten das Wasser aufgedreht worden war. Vermutlich duschte sie.
Das hätte Chevy auch nötig gehabt. Vielleicht sollte er ihr Gesellschaft leisten? Wäre das nicht eine überraschende Wendung? Vom
Jemand-hat-in-meinem-Schränkchen-geschlafen-
Szenario hin zu seinem Auftauchen vor der Duschkabine. Mit einem Messer in der Hand, während die Musik von
Psycho
anschwillt …
Er lächelte bei der Vorstellung, dann seufzte er tief auf. Noch nicht. Erst musste er auf Waterfords Puppe warten, dann die Köder-Frau im Schlaf überraschen. Sie war eine ausgebildete FBI -Agentin und bestimmt auf der Hut, da sie sich nur zu dem Zweck hier aufhielt, ihn, Chevy, anzulocken. Vermutlich nahm sie ihre 10 -mm-Waffe sogar mit unter die Dusche.
Doch eine kleine Stichelei konnte nicht schaden. Nur für den Fall, dass sie glaubten, er sei verschwunden. Sie hatten mittlerweile seinen Namen herausgefunden und kannten seine Identität. Er war nicht auf die Handys von Fremden angewiesen. Was machte es schon, wenn er sein eigenes benutzte?
Er griff in die hintere Ecke seines Verstecks, ertastete die Colaflasche, die er dort aufbewahrte, und streckte den Arm ein wenig weiter aus. Griff nach dem Mobiltelefon.
Nicht zu viel, nur eine kleine Stichelei, damit sie wussten, dass er lebte und dass es ihm gutging. Und dass er ganz nahe an den nächsten Schreien war.
Neil übergab die Puppen einem Labortechniker und besorgte sich jeweils Digitalaufnahmen von ihnen. Fünf Minuten später hatte er Hochglanzabzüge im Format neun mal dreizehn in seiner Brieftasche. Er ging zwei Stockwerke tiefer in die Kommandozentrale, wo Copeland, Standlin und Brohaugh auf einen Laptop starrten.
»Was liegt an?«, fragte Neil. Copeland trug eine Knopfzelle im Ohr.
»Ein weiterer Anruf ist gerade in Denisons Haus eingegangen.«
»Nein!«, rief Neil aus. »Du lieber Himmel.«
»Er dauerte zu kurz, um ihn zurückverfolgen zu können.«
»Lassen Sie hören.«
Brohaugh tippte etwas ein. Bankes’ Stimme erklang durch die Lautsprecher.
»Be-heth! Wo steckst du?« Ein provozierender Singsang. Er machte weiter, ohne zu warten, ob sie den Hörer abnahm. Neil spürte, wie ihm ein Prickeln über den Rücken lief. »Du glaubst wohl, ich kriege dich nicht. Weißt du nicht, dass die Polizei dich nicht beschützen kann? Auch das FBI nicht. Ich bin einfach besser. Und ganz nahe dran. Fast brauche ich nur den Arm
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