Puppengrab
Beth. Ich bin doch gleich nebenan. Glaubst du etwa, ich höre nicht, wie du die halbe Nacht umhergehst und die andere Hälfte im Schlaf weinst?«
Er warf seine Jacke über einen Stuhl – Ende der Durchsage. Kein Verhätscheln, kein großes Aufheben wegen der Alpträume. Lediglich das schlichte Akzeptieren, dass Beth emotionalen Ballast mit sich herumschleppte. Das machte sie wehrlos, denn fast schien es, als kümmerten ihn ihre Probleme nicht.
»Ich habe die Nachrichten gesehen«, sagte Beth, als er sich neben ihr niederließ. »Hat es diesen Anrufer wirklich gegeben?«
»Nein, wir wollen Bankes glauben machen, dass es einen gibt. Er hat heute wieder angerufen. Aus der Nähe deines Hauses.«
»Mein Gott.«
»Hör zu, Beth, es gibt ein paar Dinge, die du wissen solltest.«
Neil hielt Wort und berichtete ihr sämtliche Neuigkeiten von der Arbeit des Sondereinsatzkommandos, wobei eine schockierender als die vorige war: der Mord an Mo Hammond, zwei weitere Opfer, deren Ermordung schon Jahre zurücklag, und die Frauenleichen, die wie Chadburnes Puppen zurechtgemacht waren. Nun, da sie von der armen Frau in Seattle wusste, kam Beth die Galle hoch, als sie daran dachte, wie sie den Blinkmechanismus der Schlafaugen getestet hatte. Und bei der Vorstellung, dass die Beine der anderen Frau zerschnitten worden waren, um den Rissen der Puppe zu entsprechen, wurde ihr erneut schlecht.
Neil hatte noch etwas auf Lager: Bankes war bei mehreren Antiquitätenausstellungen gewesen.
»Lieber Himmel«, sagte sie.
»Er hat sich schon vor Monaten an Mrs. Chadburne herangemacht. Und dich verfolgt.«
Sie schlang die Arme um den Oberkörper, versuchte, den Ekel zu unterdrücken.
»Kannst du dich an
irgendetwas
erinnern, das Chadburne dir jemals über die Puppensammlung ihres Mannes erzählt hat?«, fragte Neil. »Etwas, das uns darüber Aufschluss geben könnte, was Bankes noch geplant haben könnte?«
Beth schüttelte den Kopf, sie spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam. Margaret Chadburne war ihr ein Rätsel. Sie hatte sich stets nach ihrem Privatleben mit Abby erkundigt und war sehr an Antiquitäten interessiert gewesen, hatte jedoch sehr wenig von sich selbst preisgegeben.
»Okay«, meinte Neil und veränderte seine Sitzhaltung. »Eine Sache wäre da noch. Wir haben eine Agentin in deinem Haus, die sich für dich ausgibt.«
Beth schnappte nach Luft. »Was?«
»Sie arbeitet sehr professionell, Süße. Ihr Name ist Lexi Carter. Wir haben überall in deiner Nachbarschaft Leute, die auf sie achtgeben und nach Bankes Ausschau halten.«
»Und diese Lexi Carter sitzt nun bei mir zu Hause herum und wartet darauf, dass sie von Bankes angegriffen wird?«
Er stieß einen Fluch aus, was Beth bestätigte, dass sie mit ihrer Vermutung den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Neil reichte ihr ein Handy. »Sämtliche deiner Rufnummern laufen auf diesem Apparat zusammen. Sag nichts, was ihn darauf bringen könnte, dass du nicht zu Hause bist. Außerdem müsstest du ihn so lange wie möglich in der Leitung halten, damit wir genug Zeit haben, den Anruf zurückzuverfolgen.«
»Was, soll ich ihn etwa fragen, wie sein Tag gewesen ist, und schmutziges Zeug daherreden?«
Ein Nerv zuckte an Neils Wange. »Standlin sagt, du sollst ihn mit dir spielen lassen. Tu so, als hättest du Angst.«
»Oh, ich glaube nicht, dass das ein Problem wäre«, sagte sie und lief mittlerweile auf und ab.
»Doch, das könnte es, denn es kommt nicht mehr in Frage, dass du einfach auflegst, wenn er dich wütend macht. Du musst auch mit ihm spielen. Weine, jammere. Standlin glaubt, dass er in der Leitung bleibt, wenn er mitkriegt, dass du völlig durcheinander bist.«
»Du meinst, ich soll nicht den gleichen Fehler begehen wie vor sieben Jahren.«
Das ließ ihn innehalten. »Verdammt«, stieß er aus und war mit zwei Schritten bei ihr. Er hielt sie an den Schultern. »Vergiss Standlin, hast du mich verstanden? Sag kein Wort zu Bankes, außer ›Fahr zur Hölle, du Scheißkerl‹.«
Beth erzitterte, als sie Neils entschlossene Miene sah. Es war ihm egal, was Standlin oder irgendjemand anderes von ihr wollte, wenn sie beschlossen hatte, es nicht zu tun. Sie betrachtete die Narbe in seinem Gesicht, und in diesem Augenblick wurde ihr klar, dass er alles erdenklich Mögliche tat, damit sie nicht verletzt wurde. Dass er sogar riskieren würde, dass Bankes ihnen entkam. »Warum?«, fragte sie leise.
»Warum was?«
»Warum ist es so wichtig für dich, den Kampf gegen
Weitere Kostenlose Bücher