Puppengrab
Ordnung, hier zu sitzen und auf ihn zu warten?«
»Klar, doch ich wünschte, er würde sich beeilen.« Carter sah sich um. »Dieses Haus ist ein wenig zu gutbürgerlich für mich. Ich mache mir plötzlich Gedanken über Kinder, Hunde und weiße Gartenzäune.«
»Höre ich da Ihre biologische Uhr ticken?«
»Sie können mich mal, Sheridan.«
»Ich doch nicht«, erwiderte Neil und ging zur Tür. »Dafür würde mir Reggie einen linken Haken verpassen.«
Hotel,
dachte Chevy. Natürlich. Dort hielt sich Beth auf. Sie hielten sie in einem Hotel versteckt, vermutlich von einem Dutzend Wachhunden umgeben.
Und einer davon war ihr viel näher als die anderen. Sheridan. Chevy konnte es kaum glauben: Neil Sheridan.
Er hatte ihn vor Jahren in einem Interview gesehen. Nachdem man Gloria Michaels gefunden hatte. Tiefe Stimme, breite Schultern, lange, energische Schritte, die jedem signalisierten, dass er sich mal zum Teufel scheren könne. Chevy hatte sich totgelacht, als Anthony Russell den Mord an Gloria gestand, und er hatte noch viel heftiger gelacht, als Russell entkommen war und Sheridan ihn ein zweites Mal aufspüren musste.
Jetzt lachte er nicht mehr. Neil Sheridan war zurückgekehrt und hielt sich bei Beth im Hotel auf. Die Wut in seinem Inneren war so heftig, dass er erzitterte. Der Gedanke, dass Beth Trost gespendet wurde, brachte ihn fast um den Verstand. Sie sollte leiden und nicht von einem arroganten Mistkerl wie Sheridan verhätschelt werden.
Ein paar Meter weiter wurde eine Tür geöffnet. Chevy lauschte, und die Luft in seiner Umgebung schien dünner zu werden. Da war sie wieder, der Lockvogel. Er konnte sie fühlen, fast sehen, als sie in der Tür stand und sich in Beths Werkstatt umsah. Er hielt den Atem an und wartete, bis sie schließlich wieder nach oben ging.
Chevy stieß den Atem aus. Er musste von hier verschwinden. Heute Nacht, wenn alles ruhig war, wäre seine Zeit gekommen. Er würde sie in ihrem Schlaf übermannen, dann weiterziehen. Sobald er hier draußen war, konnte er sich wieder um seine Angelegenheiten kümmern, doch er musste vorsichtig sein. Margaret Chadburne konnte ihm nicht mehr helfen.
Doch jemand anderes konnte das. Eine weitere ältere Dame namens Mabel Skinner, die einen Lexus fuhr und allein in einer ruhigen Straße, der Lexington Avenue, wohnte. Er hatte sie in der ersten Nacht in Arlington ausgespäht, bevor er sich in Beths Haus verschanzt hatte. Mabel würde es nicht erwarten können, ihm zu helfen.
Sie wusste nur noch nichts davon.
Also hieß es nun abzuwarten bis heute Nacht, Lexi Carter fertigzumachen und zur Hölle nichts wie weg hier. Mabel würde ihm Deckung geben, während er seinen nächsten Schritt plante.
Covington … wie weit lag das wohl von hier entfernt?
Hannah Blakes »Unfall« war ein gefundenes Fressen für die Medien, die rund um die Uhr davon berichteten. Am nächsten Morgen war Bankes’ Akte um mehrere Zentimeter gewachsen. Menschen, die sich vor ein paar Tagen noch zugeknöpft gegeben hatten, spuckten plötzlich sämtliche Erinnerungen an Bankes’ Familie aus, waren auf jedem Bildschirm zu sehen und blockierten mit ihren Anrufen die Hotlines des FBI .
»Mom schlägt Chevy, Chevy schlägt Mom«, sagte Copeland. »Chevy tötet Jenny, Mom tötet Jenny. Mom war
vor
Chevy schon einmal schwanger. Manche reden plötzlich über den Großvater und behaupten, dass er irgendwie für Jennys kränkelnden Zustand verantwortlich war.«
Schwachsinn folgte auf Schwachsinn, gefolgt von noch mehr Schwachsinn.
Neil war gerade auf dem Weg zur Tür – er konnte kein weiteres Meeting mehr ertragen –, als ihm eine Sekretärin mit leichenblassem Gesicht entgegentrat. »Mr. Sheridan«, sagte sie. »Da ist jemand für Sie am Telefon. Ein Chevy Bankes.«
Stille, dann bewegten sich plötzlich alle auf einmal, flüsterten, gestikulierten, sprachen in ihre Headsets und wollten seine Spur verfolgen. Neils Puls jagte nach oben, dann stürzte er zum Telefon im Konferenzraum. Er hielt inne und betrachtete den Apparat, als wäre er eine giftige Schlange. »Wie lange ist er schon in der Warteschleife?«
»Ich bin sofort zu Ihnen gekommen«, sagte die Sekretärin atemlos. »Ich sagte ihm, dass ich nicht sicher sei, ob Sie hier wären. Das ist vielleicht zwanzig Sekunden her, dann dürften es noch einmal dreißig, vierzig gewesen sein, bis der Anruf auf diesen Apparat durchgeschaltet wurde.«
»Gehen Sie noch nicht ran«, sagte O’Ryan. »Lassen Sie ihn
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