Puppengrab
ein paar Meter weit weg. »Gib mir deinen Führerschein.«
»Meinen Führ…«
»Tu’s einfach.« Chevy versetzte ihm mit der Mündung der Waffe einen Hieb.
Der Junge griff in die hintere Hosentasche und zog seinen Führerschein aus dem Geldbeutel. Seine knochigen Finger zitterten, und ihm fielen einige Ausweiskarten zu Boden.
»Wir tauschen die Autos«, erklärte Chevy ihm. Er deutete auf die Schlüssel, die am Boden lagen. »Du nimmst jetzt diese Schlüssel und setzt dich in den Van. An der Ampel biegst du rechts ab. Fahr fünf Minuten herum. Wenn du in dieser Zeit einen Telefonanruf machst oder langsamer wirst, komme ich zu dir nach Hause und töte deine Mutter vor deinen eigenen Augen.« Chevy hielt ihm den Führerschein vor die Nase, um zu signalisieren, dass er den Jungen auch später noch finden würde.
»Hast du verstanden?«
Ein zuckender Reflex genügte Chevy als Nicken.
»An der Ampel rechts. Fünf Minuten.«
Der Junge bückte sich, um die Wagenschlüssel aufzuheben, und ging steifbeinig zum Transporter. Mit großen Augen kletterte er auf den Fahrersitz, während Chevy die Waffe ruhig und möglichst niedrig zwischen den Wagen hielt. Nachdem der Transporter abrupt losgefahren war, stieg Chevy in den Escort und verließ den Parkplatz in entgegengesetzter Richtung.
»Alles okay, Jenny«, sagte er und legte den rechten Arm über den Beifahrersitz. Im Rückspiegel konnte er sehen, wie der Junge an der Ampel hielt. Einen Augenblick später fuhr der Transporter in nördliche Richtung davon. Chevy bog von einer späteren Ausfahrt in Richtung Süden ab. Zurück zu Beths Haus. Er fuhr drei Blocks weit, bog um eine Ecke und hielt den Wagen an.
»Jenny«, sagte er. »Ich bin da. Ich helfe dir.«
»Kannst du nicht. Keiner wird dir glauben. Mutter hat allen etwas vorgemacht.«
In seinen Augen sammelten sich Tränen, als er die Nylontasche aufriss, auf der das Wort »Spurensicherung« stand. Er zog seine eigene Sporttasche daraus hervor. Tränen. Jenny weinte, und Chevy schaffte es kaum, den Reißverschluss seiner Tasche zu öffnen. Er musste sie aufbekommen, er musste zu ihr. So wie an jenem Tag, als er einundzwanzig geworden war und sie wiedergefunden hatte.
Geh zu ihr, Chevy … Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.
Die Worte seiner Mutter im Nachtrag ihres Testaments brannten wie Flammen in seinem Gedächtnis. Sie schnitten sich durch den Nebel aus Tränen, Stimmen und Erinnerungen. Das Grundstück, das Haus, der Verkauf an Mo Hammond. Er hatte einfach alles loswerden wollen, um nie mehr zurücksehen zu müssen. Sich nur um Jenny zu kümmern.
Chevy schaffte es schließlich, die Sporttasche zu öffnen, und als er sie weit aufzog, fühlte sich sein Herz taub an. Er sah hinein. Der Anblick rang ihm ein Schluchzen ab, und er saß mit wippendem Oberkörper auf dem Fahrersitz, als die Erinnerungen ihn überwältigten.
Tu dem Baby nicht weh, Mutter … Sie kann doch nichts dafür. Es ist Grandpas Schuld. Von ihm hat sie das böse Blut. Sie weint, hörst du sie nicht? Hör doch auf zu singen, dann kannst du sie hören …
Who caught his blood? I, said the Fish, with my little dish …
Chevy schlug sich mit den Fäusten auf die Ohren.
»Hilf mir, Chevy.«
Er ließ die Hände sinken und betrachtete den Verkehr. Alles war normal. Dann blickte er nach unten auf Jenny. Neil Sheridans Teufelswerk blitzte ihm entgegen. Sie war verletzt.
Chevys Zorn schwoll an. Er musste seinen Plan ändern.
Er klappte die Sonnenblende herunter und sah sich im Spiegel an. Der Lidschatten lief ihm die Wangen herab, und der schwarze Kajalstrich war verschmiert. Seine Perücke saß schief auf seinem Kopf, er musste sie sich zurechtrücken. Dann sah er zwei Frauen die Straße in seine Richtung herunterkommen. Verdammt, er musste verschwinden. Wenn ihn jemand so sah, völlig aufgelöst, mit Jenny … Beths Haus lag nur ein paar Blocks entfernt.
Jetzt ruhig Blut, nicht leichtsinnig werden. Das FBI war sicher mittlerweile überall ausgeschwärmt, so, wie er Agent Carter zugerichtet hatte. Wie auf einem kalten Büfett. Mit dem Gesicht nach oben auf Beths Küchentisch. Arme und Beine ausgestreckt, der Kopf baumelte über die Tischkante, und das Blut in ihrem Haar war verkrustet. Er hatte kaum Zeit gehabt, ihre Schreie zu genießen, weil er das Risiko nicht hatte eingehen wollen, vom Überwachungsteam gehört zu werden. Also hatte er sie geknebelt, auf den Tisch gefesselt und eine Weile mit ihr gespielt. Dann hatte er die Linie
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