Puppenrache
zum Ende. Aber dann hatte sie es doch nicht gewagt.
Das hatten sie ihr vor drei Jahren nicht gesagt, als Patricia sterben musste – dass es so schwer sein würde. Dass man immer lügen müsste. Natürlich hatte sie gewusst, dass es keine andere Möglichkeit gab. Sie war am Leben. Nur das zählte. Doch der Preis, den sie dafür bezahlen musste, war hoch.
Und jetzt hatte er es tatsächlich geschafft. Er war aus dem Gefängnis ausgebrochen. Und er würde Jagd auf sie machen. Sara war sich sicher, dass er es war, den sie in Sidney gesehen hatte. Deshalb hatte sie gar keine andere Chance, als sich wieder in ihre Hände zu begeben…
Aber ist das wirklich der einzige Weg?, fragte eine leise Stimme in ihrem Kopf. Sara bemerkte ein komisches Ziehen im Bauch, als sie den Gedanken, der in ihr aufkeimte, weiter verfolgte. Was wäre, wenn sie auf eigene Faust handeln würde? Wenn sie einfach das täte, was sie für richtig hielt?
Das Problem war, dass sie ja gar nicht wusste, was sie für richtig hielt. Falsch, sagte da wieder diese Stimme in ihr. Du weißt genau, was du für richtig hältst, du traust dich nur nicht, es zu denken. Es bis zum Ende zu denken.
Sara schüttelte entschieden den Kopf und lehnte dann ihre Stirn gegen das kühle Fensterglas.
»Nein«, murmelte sie und schloss die Augen, »nein, ich weiß es nicht.«
Fettkloß, schwabbelige Qualle hatten sie früher in der Schule seine Mutter immer genannt. Und er hat jeden von ihnen verdroschen. Einen sogar so schlimm, dass er nicht mehr richtig sprechen konnte. Da war Troy gerade mal neun gewesen und alle – außer den Eltern von diesem Arsch – waren sich einig, dass es ein Unfall war und dass Troy doch nicht absichtlich den Jungen mit dem Kopf auf den Eisenträger geschlagen haben konnte. Das stimmte auch – jedenfalls war der Eisenträger praktischerweise im Weg gewesen. Aber diesem Großmaul hatte es ganz gut getan, nicht mehr so viel quatschen zu können. Das hat Troy natürlich niemandem gesagt. Er war ja nicht dumm.
Troy schaltete das Autoradio wieder an und suchte einen neuen Sender. Noch nicht mal einen CD-Player hatte dieses Japsenauto! Und die Boxen sind auch der letzte Schrott, dachte er verärgert.
Endlich. Echter Hardrock. Sonst gab’s doch nur noch weich gespülte Scheiße! Er drückte noch ein bisschen fester aufs Gaspedal, doch der Corolla fuhr nicht schneller als hundertzehn Stundenkilometer.
»Verfluchtes Weiberauto!« Er griff zum Zigarettenpäckchen, das neben der Gangschaltung lag, und zündete sich mit dem Zippo, das netterweise im Weiberauto war, eine Zigarette an, während er das Lenkrad mit dem Oberschenkel in Position hielt. Obwohl das Zippo ja nicht zu diesem Weiberauto passte. Hat vielleicht ein Typ liegen lassen. Nachdem sie ihren Spaß auf der Rückbank hatten!
Er musste an diese Schlampe mit den Pants denken. Ob sie schon bei den Bullen gewesen war? Mann, er hätte sich zurückhalten sollen mit dieser Tess! Unnötiges Risiko!
Er konnte sich schon nicht mehr an ihr Gesicht erinnern. Nur an die riesengroßen Kulleraugen, die sie gemacht hatte, als er den Motor ausstellte. Und an ihren Mund – ach, diese Schlampen waren doch alle gleich.
Er musste husten und kurbelte das Fenster runter. Scheißknast! Bestimmt hatten die mit ihm Versuche gemacht, von denen er nichts wusste. Medikamente getestet oder so was.
Und das alles hatte sie ihm eingebrockt!
Troy verpfeift man nicht! Troy entkommt man nicht!
Das hatte sie scheinbar noch nicht kapiert! Aber sie würde ihre Lektion schon noch lernen. Dafür würde er sorgen!
Im Takt klopfte er mit der flachen Hand gegen die Tür. Ich finde dich… ich jage dich… bis ich dich habe!
Er schloss für einen kurzen Moment die Augen und spürte die Sonne und den Wind auf der Haut.
Ja, das war sie, die Freiheit – die sie ihm für drei Jahre geraubt hatte!
Troy fragte sich, wie es sein würde, nach so langer Zeit wieder nach Hause zu kommen. Seine Mutter wusste es sicher schon. Sie hing den ganzen Tag vor der Glotze. Er musste vorsichtig sein. Nicht, dass die Bullen vor dem Haus auf ihn warteten. Aber er hatte genug falsche Spuren nach Brisbane gelegt. Bis die Bullen die alle geprüft hätten, wäre er schon längst wieder weg.
Er warf den Zigarettenstummel aus dem Fenster. Da vorn konnte er schon die drei großen Pinien sehen, wo der Feldweg abzweigte, der vierhundert Meter weiter am Haus seiner Mutter endete. Und wie immer fühlte er sich ein bisschen wie ein kleiner Junge, der
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