Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puppenrache

Puppenrache

Titel: Puppenrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
nach Hause rennt, weil seine Mutter sein Lieblingsessen gekocht hat. War das nicht der beste Beweis dafür, dass er ein guter Mensch – und ein guter Sohn war? Die dämlichen Bullen und diese verblödeten Geschworenen hätten mal seine Mutter nach ihm befragen sollen!
    Als er an der Abzweigung ankam, blieb er einen Moment unter den Bäumen stehen und ließ seinen Blick über dieses armselige Stück Land schweifen. Jemand hatte einen Haufen alter Fliesen und ein paar Blechdosen und Eimer neben den Bäumen abgeladen, der rostige Sprungrahmen und die alten Reifen lagen immer noch da wie in seiner Kindheit. Als wäre das Leben hier nicht weitergegangen, als wäre hier nichts, gar nichts passiert! Er merkte, wie er wütend wurde. Das alles hier, die trockene gelbliche Erde, diese öde Weite, hatte ihn schon als Kind so wütend gemacht. Als wäre es völlig egal, ob er lebte oder nicht.
    Immerhin, kein Mensch weit und breit. Sein Plan, die Bullen abzulenken, hatte also scheinbar funktioniert. Er schaltete in den ersten Gang, bog in die von Schlaglöchern zerfressene Straße ein und lenkte vorsichtig an den allzu tiefen Furchen vorbei. Schließlich blieb er vor der verrosteten Kiste, die wohl seinem Bruder gehörte, stehen. Bevor er ausstieg, warf er noch einen letzten Blick in den Rückspiegel. Nichts.
    Das Haus war eine Bruchbude, musste er feststellen. Sein Bruder hätte sich längst mal kümmern müssen. Von den Holzlatten blätterte die Farbe ab, die Fliegengitter an den Fenstern hatten faustgroße Löcher, und als er zum Dach hinaufsah, fiel ihm auf, dass das Wellblech ziemlich verrostet war.
    Er nahm die drei Stufen zur Tür mit einem Satz und klopfte.
    »Mom?«
    Von drinnen kam ein Poltern, dann hörte er ihre schweren Schritte. Die Tür wurde aufgerissen und vor ihm stand seine Mom, die ihn um einen halben Kopf überragte und dreimal so breit war wie er.
    »Mein Junge!«, schrie sie auf und breitete ihre mächtigen Arme aus und er ließ sich einfach hineinfallen, so wie er es schon als Kind getan hatte. Und er fühlte ihren warmen, weichen Körper, der ihn umschloss wie frischer, duftender Teig.
    »Sie haben’s im Fernsehen gebracht. Hat dich auch keiner gesehen?« Sie strich ihm übers Haar.
    »Wer soll mich denn gesehen haben? Die Nachbarn?«, fragte er, löste sich aus ihrer Umarmung und drehte sich nach draußen, wo bloß die beiden Autos standen und der Feldweg war und die drei Pinien an der Abzweigung wuchsen.
    »Hast recht. Aber ich mach mir halt Gedanken.« Sie schob ihn ins Haus und schloss die Tür hinter ihm. Er glaubte sogar zu hören, dass sie sie verriegelte. Aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein.
    Es roch nach Essen, nach Pommes und gegrilltem Hähnchen.
    So wie früher.

8
    »Ach Troy! Jetzt wird alles wieder gut. Wo du endlich wieder da bist!«
    »Ja, Mama. Keine Bange.«
    »Hast du Hunger, mein Kleiner?« Sie stemmte ihre fetten Arme, die gegen ihren massigen Körper wie verkümmert aussahen, in die Seite, dorthin, wo andere Hüften hatten.
    »Ich könnt was vertragen.«
    »Ich hab mir gerade was gemacht. Wir können zusammen essen.«
    Seine Mutter legte den Kopf schief und strahlte ihn an. »Du bist mein bester Junge. Sie tun dir alle unrecht, da draußen.«
    »Ja, Mom, ganz meine Rede.«
    Sie watschelte an ihm vorbei mit ihrem immensen Körper, an dem die Kleider wie große Zelte hingen. Sie sollte sich die Haare auftoupieren oder sonst was mit ihnen machen, damit der Kopf größer aussieht, dachte er.
    »Bleib ein bisschen! Dein Zimmer ist noch genauso wie früher, das weißt du ja!«, rief sie aus der Küche und machte den Backofen auf. Ein Schwall heißer fettiger Luft entwich. Mann, hatte er Hunger! Der Gefängnisfraß all die Jahre hatte ihn ausgemergelt.
    »Ich hab was zu erledigen. Aber eine Nacht kann ich bleiben. Und das Zimmer ist gut.«
    Er beobachtete, wie seine Mutter das Blech mit den Pommes rauszog und sie auf zwei Tellern verteilte. Es waren zwei große Berge und er fragte sich, ob sie die alle hatte allein essen wollen.
    »Hast Glück, dass dein Bruder nicht da ist, ich hab für ihn mitgekocht.«
    Er schob den Stuhl am Küchentisch zurück und setzte sich.
    »Wo ist er? Sein Auto steht draußen.«
    »Ach, er hat ein neues. Damit ist er gestern weggefahren. Er hat gesagt, er wüsste noch nicht, wann er wieder zurück ist.« Seine Mutter stellte die beiden Teller mit Pommes und je einem halben Hähnchen auf den Tisch. »Außerdem – du kennst doch deinen kleinen

Weitere Kostenlose Bücher