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Puppenrache

Puppenrache

Titel: Puppenrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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wirklich das Dümmste, was er tun könnte. »Das klingt echt mies, Kumpel. Und ihr Freund weiß nicht, wo sie ist?«
    »Nee, der ist total fertig. Voll am Arsch. Kam alles wie aus dem Nichts. Mann, er hat mich sogar rausgeschmissen. Ist ’n armer Kerl gerade.«
    Die Bierfahne von diesem Typen war enorm. Troy musste sich anstrengen, freundlich zu bleiben. Aber das war seine einzige Chance, was rauszufinden. »Und du? Hast du keine Ahnung, wo sie sein könnte?«, fragte er.
    Der andere dachte ziemlich angestrengt nach. Kratzte sich am Kopf, zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte schließlich den Kopf. »Nee, wirklich nicht! Mit mir hat sie eh nicht viel geredet. Kam sich als was Besseres vor, wenn du mich fragst.«
    »Hm«, machte Troy und überlegte, wie er jetzt weiter vorgehen sollte.
    »Tja, Kumpel, so sieht’s aus. Kann dir auch nicht helfen.« Der andere wollte gehen, dann fiel ihm noch was ein. »Warum gibst du’s nicht Stephen, ich meine, das, was du ihr geben willst. Würde mich nicht wundern, wenn er losfährt und sie sucht.«
    Troy nickte. »Ja, super Idee. Welcher Stock?«
    »Fünfter«, sagte der andere und setzte sich in Bewegung.
    Troy blickte an der Fassade hinauf. Einen Moment überlegte er, ob er hoch zu diesem Weichei sollte, um sich selbst davon zu überzeugen, ob er wirklich nichts wusste. Er faltete seine Hände und ließ die Fingerknöchel knacken. Doch dann entschied er sich, nicht unnötig Aufmerksamkeit zu erregen. Außerdem war er sich sicher, dass Stephen seinem Freund die Wahrheit gesagt hatte. Der Typ wusste wirklich nicht, wo seine Freundin war.
    Sie hatte ihn gelinkt. Eine unbändige Wut kochte in ihm hoch. Diese miese kleine Puppe! Na, warte! So einfach entkommst du mir nicht!
    Seine Wut half ihm nicht weiter. Jetzt nur keine Panik, sagte er sich, ich muss nachdenken und mich ausruhen. Ich brauch ein Bett, was zu essen und Kohle. Und dann geht’s zum Eigentlichen.
    Die Vorstellung dieses Rendezvous jagte ihm ein Kribbeln über den ganzen Körper.
    Er überquerte wieder die Straße und stieg in den weißen Corolla. Eine Scheißkarre, aber wenigstens ohne Wegfahrsperre – und unauffällig.
    Bis zu seiner Mutter waren es zwei Stunden mit dem Auto.

7
    Sie hatte Hunger. Der Hunger kam manchmal ganz plötzlich, dann war da ein riesiges Loch in ihrem Magen, das immer größer wurde, sich ausdehnte bis zu den Rändern ihres Körpers. Die Vorstellung von diesem hungrigen Etwas in ihr drin machte ihr Angst. Es war etwas, worüber sie keine Kontrolle hatte, etwas Unberechenbares, Fremdes. Und je mehr sie daran dachte, umso stärker dehnte sich dieses dunkle tiefe Loch aus. Eigentlich war es kein richtiges Loch. Es war eher so etwas, wie sie sich die schwarzen Löcher im Universum vorstellte. Ein Vakuum, das alles in sich hineinsog und verschlang. Wie oft hoffte sie, dass die vierte Cola oder der dritte Hamburger, die zweite Tüte Chips endlich das erreichten, was ihr nicht gelingen wollte: Vergessen. Sich geborgen und sicher zu fühlen. Außer Gefahr. Gerettet. Warm und zufrieden – innerlich.
    Zwei- oder dreimal hatte sie versucht, mit Stephen darüber zu reden, ihm zu erklären, wie das mit dem Essen für sie war, aber er hatte immer gleich die Stirn gerunzelt, ein sicheres Zeichen dafür, dass er keine Lust auf diese »psychologischen Gespräche« hatte, wie er sie nannte. Die hatte er wirklich nicht. Er war ein netter, liebenswerter Typ, bei dem sie sich sicher gefühlt hatte, aber reden – das war nicht wirklich eine seiner Stärken gewesen. Aber vielleicht war das ja auch nur so eine idealisierte Vorstellung von ihr. Wahrscheinlich konnte man nur mit einem Therapeuten über so was sprechen. Wie mit dem in der Klinik. Der war verständnisvoll, hatte genickt und leise gesprochen. Und an den passenden Stellen gelächelt.
    Sie starrte hinaus in die vorbeiwischende Weite aus trockenen Büschen und trockener Erde. Und sie fragte sich, ob Stephen darüber nachdachte, warum sie weggegangen war. Ob er wütend war oder traurig oder beides – oder ob er sich einfach mit seinen Kumpels betrank.
    Es tat ihr leid, dass sie ihn so verlassen musste. Er hatte ihr vertraut und sie hatte ihn belogen. Sie erinnerte sich genau an das jämmerliche Gefühl, das sie befallen hatte, als er ihr tröstend über die Wangen gestrichen hatte, weil sie ihm erzählte, dass ihre Eltern beide früh gestorben waren. In dem Moment war sie ganz nah daran gewesen, ihm alles zu erzählen. Alles, vom Anfang – bis

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