Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
einen Becher voll ein. Er nippte daran und starrte nachdenklich auf den Steinhaufen.
»Glauben Sie, dass wir unter dem Haufen eine schreckliche Entdeckung machen?«, fragte er.
»Ich vermute eher, dass wir gar nichts finden.«
Er nickte skeptisch. »Sehen Sie doch mal nach«, sagte er.
Siobhan schraubte den Verschluss wieder auf die Thermoskanne. Dann gab sie sich einen Ruck und ging einmal um den Steinhaufen herum. Nichts als eine Ansammlung größerer und kleinerer Steine. »Da ist nichts«, sagte sie. Dann ließ sie sich in die Hocke nieder, um den Haufen aus der Nähe zu inspizieren.
»Da muss was sein.« Gram erhob sich wieder zu voller Größe und kam zu ihr herüber. »Irgendwas muss hier oben hinterlegt sein.«
»Wenn ja, ist es jedenfalls sehr gut versteckt.«
Er brachte den Haufen mit dem Fuß zum Einsturz, ließ sich dann auf die Knie nieder und durchsuchte die Trümmer mit bloßen Händen. Sein Gesicht war wutverzerrt, die Zähne lagen bloß. Binnen weniger Minuten hatte er den Haufen völlig eingeebnet. Siobhan hatte das Interesse an dem Steinhaufen verloren und hielt Ausschau nach anderen potenziellen Verstecken, konnte jedoch keines entdecken. Grant schob die Hand in die Tasche seiner Regenjacke und brachte zwei Klarsichttüten zum Vorschein, die er eigens zur Verwahrung etwaiger Beweisstücke mitgenommen hatte. Siobhan beobachtete ihn dabei, wie er die Tüten unter den größten Stein stopfte und dann anfing, den Haufen wieder aufzutürmen. Doch er hatte kaum begonnen, als sein Werk bereits wieder in sich zusammenkrachte.
»Hören Sie doch mit dem Unsinn auf, Grant«, sagte Siobhan.
»So ein gottverdammter Dreck!«, schrie er. Sie wusste nicht recht, wen oder was er mit diesen Worten meinte.
»Grant«, sagte sie leise. »Das Wetter schlägt gleich wieder um. Am besten, wir gehen jetzt zurück.«
Aber anscheinend wollte er nicht gehen. Er saß mit ausgestreckten Beinen am Boden und stützte sich mit beiden Händen nach hinten ab.
»Wir haben einen Fehler gemacht«, sagte er und schien den Tränen nahe. Siobhan betrachtete ihn und wusste, dass sie ihre ganze Überredungskunst würde einsetzen müssen, um
den Mann zum Abstieg zu bewegen. Grant saß bibbernd am Boden. Er war völlig durchnässt und fix und fertig. Siobhan ließ sich vor ihm in die Hocke nieder.
»Sie müssen sich jetzt zusammenreißen, Grant, mir zuliebe«, sagte sie und legte ihm die Hände auf die Knie. »Los, kommen Sie schon, Grant. Schließlich sind wir ein Team.«
»Ein Team«, sagte er matt. Siobhan nickte.
»Aber dann müssen wir uns auch entsprechend verhalten und zusehen, dass wir von diesem verdammten Berg wieder herunterkommen.«
Er starrte auf ihre Hände und umklammerte sie dann mit seinen eigenen. Siobhan richtete sich langsam auf und zog ihn mit sich in die Vertikale. »Los, kommen Sie schon, Grant.« Sie standen einander jetzt gegenüber. Grant ließ Siobhan keine Sekunde aus den Augen.
»Wissen Sie noch, was Sie gesagt haben?«, fragte er. »Als wir vor ein paar Tagen in der Nähe der Victoria Street einen Parkplatz gesucht haben?«
»Nein, was denn?«
»Sie haben mich gefragt, wieso ich es mit den Regeln immer so genau nehme.«
»Grant...« Sie gab sich Mühe, ihn freundschaftlich und nicht mitleidig anzusehen. »Lassen Sie uns bitte nicht alles verderben«, sagte sie leise und versuchte, ihm die Hände zu entziehen.
»Was denn verderben?«, fragte er mit hohler Stimme.
»Wir sind doch ein Team«, wiederholte sie.
»Und sonst nichts?«
Er blickte sie starr an, als sie den Kopf schüttelte und damit so lange fortfuhr, bis er zögernd ihre Hände losließ. Siobhan drehte sich um und machte sich auf den Rückweg. Sie war kaum fünf Schritte gegangen, als Grant buchstäblich an ihr vorbeiflog und wie ein Besessener den Hang hinunterrannte. Ein- oder zweimal geriet er ins Stolpern, rappelte sich aber sofort wieder auf.
»Wenn das kein Hagel ist!«, brüllte er irgendwann in ihre Richtung. Ja, und was für Hagelkörner, die Siobhan schmerzhaft ins Gesicht prasselten, während sie hinter ihm herrannte. Als Grant unten an der Straße über den Zaun sprang, verfing er sich mit der Regenjacke im Stacheldraht und riss einen großen Winkel in das Plastikmaterial. Sekunden später kam Siobhan angerannt, und er half ihr fluchend und mit hochrotem Kopfüber das Hindernis. Dann stiegen sie in den Wagen, saßen vielleicht eine Minute schweigend da und rangen nach Luft. Da die Windschutzscheibe immer stärker
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