Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
Rebus drehte sich wieder um, zog zwei Darjeeling-Teebeutel aus der Packung und gab sie in die Tassen. Ob dieser Costello allmählich die Fassung verlor? Und ob Siobhan Clarke nebenan den kleinen Dialog zwischen dem jungen Mann und ihm mitgehört hatte? Natürlich, sie waren hier, um auf Costello aufzupassen, und zwar rund um die Uhr, in drei Schichten. Allerdings gab es noch einen weiteren Grund für Davids Anwesenheit. Offiziell war sie erforderlich, damit er der Polizei sagen konnte, wer sich hinter den Namen verbarg, die in Philippa Balfours Korrespondenz auftauchten. Aber Rebus hatte ihn auch hergebeten, weil es sich bei der Wohnung womöglich um den Tatort handelte. Denkbar, dass David Costello etwas zu verbergen hatte. Auf dem Revier in der St. Leonard's Street standen die Wetten diesbezüglich unentschieden, am Torphichen Place zwei zu eins, während Costello am Gayfield Square schon fast als überführt galt.
»Ihre Eltern haben gesagt, dass Sie zu ihnen ins Hotel ziehen können«, sagte Rebus. Er drehte sich um und sah Costello an. »Wenigstens haben sie zwei Zimmer gebucht, also dürfte eines davon leer stehen.«
Auf diesen Trick fiel Costello allerdings nicht herein. Er musterte den Polizisten nur ein weiteres Mal, drehte sich dann um und blickte ins Arbeitszimmer.
»Schon was gefunden?«, fragte er.
»Kann noch eine Weile dauern, David«, entgegnete Siobhan. »Am besten, Sie lassen uns einfach unsere Arbeit tun.«
»In der Kiste finden Sie ohnehin nichts, was Ihnen weiterhilft.« Er meinte den Computer. Als sie nicht reagierte, richtete er sich auf und legte den Kopf ein wenig zur Seite. »Aber davon verstehen Sie ja ohnehin mehr als ich.«
»Muss nun mal gemacht werden.« Sie sprach leise, als ob sie nicht wollte, dass man sie außerhalb des Zimmers hören konnte.
Costello wollte schon etwas erwidern, besann sich dann jedoch eines Besseren und ging wieder ins Wohnzimmer. Rebus brachte Siobhan ihren Tee.
»Das nenne ich Stil«, sagte sie und inspizierte den Teebeutel, der in der Tasse schwamm.
»Ich wusste nicht, wie stark Sie ihn mögen«, sagte Rebus zu seiner Rechtfertigung. »Und? Was ist Ihr Eindruck?«
Sie überlegte einen Augenblick. »Möglich, dass er die Wahrheit sagt.«
»Kann aber auch sein, dass Sie auf gut aussehende Jungs stehen.«
Sie schnaubte, angelte den Teebeutel aus der Tasse und beförderte ihn in den Müll. »Schon möglich«, sagte sie. »Und Sie, was glauben Sie?«
»Morgen ist die Pressekonferenz. Glauben Sie, dass wir diesen Costello dazu überreden können, über die Medien an seine Freundin zu appellieren?«
Die Abendschicht übernahmen zwei Kripobeamte vom Gayfield Square. Rebus fuhr nach Hause und ließ sich ein Bad einlaufen. Er hatte das dringende Bedürfnis, ausgiebig zu baden, und gab etwas Spülmittel in das heiße Wasser, wie es bereits seine Eltern getan hatten, als er noch klein war. Immer wenn er abends völlig verdreckt vom Bolzplatz nach Hause gekommen war, hatte dort bereits ein mit Spülmittel angereichertes heißes Bad auf ihn gewartet. Nicht, dass seine Eltern sich kein richtiges Schaumbad hatten leisten können: »Aber das ist schließlich auch nichts anderes als sündteure Flüssigseife«, hatte seine Mutter immer gesagt.
In Philippa Balfours Bad hatte er mehr als ein Dutzend verschiedene »Aromabäder«, Badelotionen und Schaumbäder gesehen. Rebus inspizierte kurz seine eigenen Vorräte: Rasierer, Rasierschaum, Zahnpasta, eine einsame Zahnbürste und ein Stück Seife. Und in dem Medizinschränkchen: Heftpflaster, Schmerztabletten und ein Päckchen Kondome. Er öffnete die Schachtel: ein Gummi. Das Verfallsdatum war im vergangenen Sommer abgelaufen. Als er das Schränkchen wieder zumachte, sah er sich plötzlich im Spiegel: graugesichtig und graue Strähnen im Haar. Und ein leichtes Doppelkinn hatte er auch schon, sogar, wenn er den Unterkiefer etwas vorschob. Er versuchte zu lächeln und erhaschte einen Blick auf seine Zähne. Er müsste dringend mal wieder zum Zahnarzt. Der hatte ohnehin schon gedroht, Rebus aus der Kartei zu werfen.
»Hinten anstellen beim Rausschmeißen...«, murmelte Rebus und kehrte dem Spiegel den Rücken zu, während er sich auszog. Die Abschiedsparty, zu der Hauptkommissar »Farmer« Watson anlässlich seines Eintritts in den Ruhestand geladen hatte, war bereits seit sechs Uhr im Gang. Genau genommen handelte es sich bereits um die dritte oder vierte derartige Party, wobei diese allerdings tatsächlich die letzte
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