Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puppenspiel - Inspektor Rebus 12

Puppenspiel - Inspektor Rebus 12

Titel: Puppenspiel - Inspektor Rebus 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
Folterkammer als in einem Operationssaal vermutet hätte. Ferner gab es reichlich Knochen, Körperteile sowie andere merkwürdige Dinge, die in einer trüben Flüssigkeit in Gläsern schwammen. Über eine schmale Treppe gelangten sie auf eine kleine Empore, wo weitere Gläser standen.
    »Kann einem aufrichtig Leid tun der Bursche, der das Formaldehyd nachfüllen muss«, sagte Devlin etwas atemlos.
    Rebus inspizierte den Inhalt eines Glasbehälters. Aus dem Gefäß starrte ihm das merkwürdig verzerrte Gesicht eines Kleinkindes entgegen. Dann erst bemerke er, dass der Kopf auf zwei getrennten Körpern aufsaß. Am Kopf zusammengewachsene siamesische Zwillinge, deren Gesichter zu einem Ganzen verschmolzen waren. Rebus, der schon eine Menge Scheußlichkeiten gesehen hatte, stand vor Grauen wie gebannt vor dem Behältnis. Aber es gab noch weitere Exponate zu besichtigen, andere missgebildete Föten. Außerdem hingen an den Wänden diverse Zeichnungen und Gemälde, auf denen Soldaten zu sehen waren, denen eine Kanonen- oder Gewehrkugel einen ganzen Körperteil abgerissen hatte.
    »Mein Lieblingsexponat«, sagte Devlin. Er stand inmitten
    der grauenhaftesten Bilder und betrachtete ruhig das Porträt eines lächelnden jungen Mannes. Rebus las die Bildunterschrift.
    »Dr. Kennet Lovell, Februar 1829.«
    »Lovell war einer der Anatomen, die William Burke obduziert haben. Wahrscheinlich ist sogar er es gewesen, der Burke nach der Hinrichtung durch den Strick offiziell für tot erklärt hat. Kaum einen Monat später hat er für dieses Porträt gesessen.«
    »Der Mann macht auf dem Bild einen überaus zufriedenen Eindruck«, sagte Rebus.
    Devlins Augen funkelten vor Begeisterung. »Nicht wahr? Aber Kennet war außerdem ein leidenschaftlicher Handwerker. Sein bevorzugtes Material war Holz, wie es übrigens auch für Diakon William Brodie gilt, von dem Sie vermutlich gehört haben.«
    »Gentleman am Tag und Einbrecher in der Nacht«, sagte Rebus.
    »Hat Stevenson vermutlich sogar als Vorbild für Dr. Jekyll and Mr. Hyde gedient. Stevenson hat nämlich als Kind einen Kleiderschrank in seinem Zimmer gehabt, den Brodie geschreinert hatte.«
    Rebus Blick ruhte noch immer auf dem Porträt. Lovell hatte auf dem Bild fast schwarze Augen, ein geteiltes Kinn und einen prächtigen Schöpf dunkler Locken. Rebus war sich sicher, dass der Maler dem Mann auf dem Bild geschmeichelt und wohl ein paar Jahre oder Kilo unterschlagen hatte. Trotzdem ein attraktiver Mann, dieser Lovell.
    »Interessant, was im Zusammenhang mit dem Balfour-Mädchen alles ans Licht kommt«, sagte Devlin. Rebus sah ihn überrascht an. Der alte Mann, dessen Atem jetzt wieder gleichmäßig ging, hing mit den Augen noch immer an dem Bild.
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Rebus.
    »Die Särge, die man vor langer Zeit oben auf Arthur's Seat
    gefunden hat und dann der Wirbel, den die Presse plötzlich darum macht.« Er blickte in Rebus' Richtung. »Es gibt ja eine Theorie, derzufolge die Kisten Burkes und Hares Opfer versinnbildlichen.«
    »Stimmt.«
    »Und bei dem Sarg, der vor einigen Tagen aufgetaucht ist, würde es sich dann sozusagen um einen Abschiedsgruß für die junge Philippa handeln.«
    Rebus richtete die Augen wieder auf das Porträt. »Dann hat Lovell also hauptsächlich mit Holz gearbeitet?«
    »Den Tisch in meinem Esszimmer«, sagte Devlin lächelnd, »den hat er gemacht.«
    »Und deshalb haben Sie ihn gekauft?«
    »Ja, als ein kleines Andenken an die frühen Jahre der Pathologie. Immerhin ist die Geschichte der Chirurgie auf weite Strecken identisch mit der Geschichte Edinburghs, Inspektor.« Devlin schniefte und stieß einen Seufzer aus. »Ich vermisse meine Arbeit nämlich sehr, verstehen Sie?«
    »Nein, kann ich nicht ganz nachvollziehen.«
    Schließlich wandten sich die beiden Männer von dem Porträt ab und stiegen wieder die Treppe hinunter. »Wirklich ein Privileg, diese Tätigkeit. Unendlich faszinierend, was sich hinter unserer äußeren Hülle alles verbirgt.« Devlin klopfte sich auf die Brust, um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen. Rebus fiel zu dem Thema kaum etwas ein. Für ihn war ein Körper nun mal nichts als ein Körper. Und sobald ein Körper nicht mehr lebte, war - nach seinem Empfinden - auch das nicht mehr vorhanden, was zuvor dessen Faszination ausgemacht hatte. Er wollte sich schon in diesem Sinne äußern, aber er wusste, dass er es mit der Eloquenz des alten Pathologen nicht würde aufnehmen können.
    Unten in der großen Halle drehte

Weitere Kostenlose Bücher