Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
unbeteiligten Gesichtsausdruck oder die zunehmende Müdigkeit an.
Sie sagte zum x -ten Mal »Danke« und legte den Hörer wieder auf die Gabel. Dann machte sie sich einen Vermerk, sah auf die Uhr und notierte die Zeit. Sie war wirklich sehr gründlich, das musste man ihr lassen. »Versprochen haben sie es jedenfalls«, sagte sie mehrfach auf seine Nachfrage.
»Besser als gar nichts.«
»Falls sie die Sachen wirklich schicken.« Dann schnappte sie sich wieder den Hörer, holte tief Luft und machte den nächsten Anruf.
Rebus konnte sich die langen Abstände zwischen den einzelnen Fällen nicht recht erklären: 1972, 1977, 1982, 1995. Fünf Jahre, fünf Jahre, dreizehn Jahre. Und jetzt möglicherweise abermals ein Fünfjahresabstand. Eigentlich ergäbe die Fünferreihe ja ein recht schönes Muster, wäre da nicht die dreizehnjährige Pause zwischen '82 und '95. Man konnte sich dafür natürlich alle möglichen Erklärungen zurechtlegen: etwa, dass der Täter, wer immer er auch sein mochte, in der Zwischenzeit verschwunden, ja, möglicherweise sogar im Knast gewesen war. Außerdem wusste Rebus ja nicht, ob der Mensch die Särge wirklich nur in Schottland verteilt hatte. Musste er nicht recherchieren, ob es in England beispielsweise ähnliche Vorfälle gegeben hatte? Und wenn der mutmaßliche Täter eine Zeit lang im Knast gewesen war, dann musste das irgendwo dokumentiert sein. Dreizehn Jahre waren kein Pappenstiel: Konnte sich eigentlich nur um Mord handeln.
Und dann gab es natürlich noch eine Möglichkeit: nämlich dass der Täter seinem Hobby zwar die ganze Zeit nachgegangen war, allerdings aus irgendeinem Grund auf die Särge verzichtet hatte. Denkbar war zudem, dass nicht alle Särge gefunden worden waren. Eine kleine Holzkiste... jeder Hund konnte so etwas zernagen. Möglich auch, dass Kinder die Kästchen mit nach Hause genommen hatten, oder dass jemand sie einfach angewidert in die nächste Mülltonne befördert hatte. Natürlich konnte die Polizei in der Hoffnung auf weitere Zeugen auch an die Öffentlichkeit appellieren, obwohl Rebus sich nicht recht vorzustellen vermochte, dass Templer sich auf so etwas einlassen würde. Ohne eine Menge Überzeugungsarbeit war da nichts zu erreichen.
»Niemand da?«, fragte er, als Wylie den Hörer unverrichteter Dinge wieder auflegte.
»Nein - meldet sich niemand. Vielleicht hat sich die Geschichte von der verrückten Polizistin aus Edinburgh bei den Kollegen ja schon rumgesprochen.«
Rebus zerknüllte ein Blatt Papier und warf es in den Papierkorb. »Ich glaube, wir müssen hier mal raus«, sagte er. »Wie war's mit einer Pause?«
Wylie ging zum Bäcker, um sich einen Krapfen zu holen, während Rebus beschloss, einen Spaziergang zu machen, obwohl die umliegenden Straßen kaum Abwechslung boten: Mietshäuser und Wohnanlagen und dann noch die verkehrsreiche Holyrood Road und im Hintergrund die Salisbury Crags. Rebus entschied sich dafür, in das Passagengewirr zwischen St. Leonard's und Nicolson Street einzubiegen. In einem Zeitschriftenladen besorgte er sich eine Dose Irn-Bru und trank im Gehen davon. Angeblich sollte das Zeug ja gegen Katersymptome helfen, doch er trank es nur, um das Verlangen nach einem richtigen Drink zu unterdrücken: einem Bier und einem Kurzen in einer verrauchten Kneipe, wo gerade ein Pferderennen über den TV-Monitor flimmerte... Da wäre natürlich der Southsider, aber Rebus überquerte tapfer die Straße, um der Versuchung von vornherein aus dem Weg zu gehen. Auf dem Gehsteig spielten Kinder, fast alle asiatischer Herkunft. Die Schule war für heute aus, und da waren sie nun mit ihrer Energie und ihrer Phantasie. Rebus überlegte, ob mit ihm selbst möglicherweise auch die Phantasie durchgegangen war... Völlig auszuschließen war das jedenfalls nicht: dass er Zusammenhänge sah, wo es keine gab. Er kramte sein Handy und einen Zettel mit einer Telefonnummer hervor.
Als am anderen Ende jemand abhob, ließ er sich mit Jean Burchill verbinden.
»Jean?« Er blieb stehen. »John Rebus. Sieht fast so aus, als ob wir mit unseren kleinen Särgen einen Volltreffer gelandet hätten.« Er hörte einen Augenblick zu. »Kann ich Ihnen jetzt nicht im Detail erklären.« Er blickte sich um. »Ich bin gerade auf dem Weg zu einer Besprechung. Haben Sie heute Abend schon was vor?« Wieder lauschte er. »Hm, schade. Und wie war's mit einem Absacker?« Seine Miene hellte sich auf. »Also, dann um zehn Uhr? In Portobello oder in der Stadt?« Wieder hielt er
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