Puppenspiele
noch einmal eine kleine Vorstellung als erschütterte Vaterfigur: »Ich fühle mit Ihnen eine große Trauer.«
Sybille Weininger, die ganz offensichtlich herb enttäuscht war von dem Nullergebnis ihres Besuches, gab ihm eine für ihre übliche Zurückhaltung geradezu rigide Antwort: »Das bringt uns nicht weiter, Herr Professor. Helfen Sie uns lieber, den Mörder zu fassen!«
Kurz darauf saßen alle vier in Zeiners Dienstwagen und fuhren Sybille nach Hause in die Villa am Starnberger See. Sybille war bedrückt, Petra empört. Sie konnte nicht fassen, dass Svensson sich aus geschäftlichen Erwägungen schlicht weigerte, die Unterlagen über möglicherweise gefährdete Personen herauszugeben.
Christian hatte damit gerechnet. Geschäftsinteressen wurden von erfolgreichen Menschen meist über humanistische Grundsätze gestellt. Sonst wären sie nicht erfolgreich. Er nahm sein Handy, rief Daniel an und gab ihm die Anweisung, loszulegen.
Zeiner sah ihn fragend an: »Loslegen womit?«
»Daniel ist unser Fachmann für Datenbeschaffung. Wenn die Informationen über die Befruchtungen – auch die aus den Achtzigern – elektronisch gespeichert sind, was garantiert der Fall ist, dann besorgt er sie. Da kann Svensson noch so sehr an die Sicherheit seines Systems glauben. Daniel sagt immer, es gibt keine absolute Datensicherheit, nur eine relative. Grenzen, die von Menschen aufgebaut werden, können auch von Menschen wieder eingerissen werden. Bevor er angefangen hat für mich zu arbeiten, wurde er längere Zeit als Hacker unter dem Namen ›Dekonstruktivist‹ vom BKA gesucht. Er ist ein Meister im Einreißen von Grenzen. Aber das hast du jetzt nicht gehört.«
Zeiner grinste: »Ohne etwas Flexibilität wären wir in unserem Job verloren. Nervig ist nur, dass derart beschaffte Informationen im Falle eines Falles nicht als Beweismittel vorgelegt werden können. Deshalb bevorzuge ich im Allgemeinen den offiziellen Weg. Und der heißt nun mal Durchsuchungsbeschluss und Beschlagnahme.«
»Was können wir Svensson bislang vorwerfen? Findest du einen Staatsanwalt, der bei der Faktenlage mitzieht?« Christian blickte Zeiner skeptisch an.
Sybille kicherte plötzlich: »Findet er. Er muss nicht mal lange suchen. Unsere Oberstaatsanwältin heißt Silvia Zeiner. Wenn ich mich nicht irre, ist sie mit einem Kommissar verheiratet.«
»Und zwar sehr glücklich«, fügte Zeiner zufrieden hinzu.
Während Christian und die anderen unterwegs nach Starnberg waren, ging Svensson seine Dateien durch. Natürlich war er erschüttert über die Morde, er war schließlich kein Unmensch. Aber es kam nicht infrage, die Kundendateien offenzulegen. Svensson schätzte, dass er seit 1991 das Embryonenschutzgesetz bei mehr als fünfzig Prozent seiner Eingriffe verletzt hatte. Und zwar in allen Punkten. Für die Zeit davor war er durch den rechtsfreien Raum abgesichert. Aber da war noch die Entführung der Zehnjährigen. Die Polizei würde sich bei der Durchleuchtung der Akten also nicht auf den Zeitraum vor dem Embryonenschutzgesetz beschränken. Er könnte den Laden dichtmachen. Das wäre zwar für ihn persönlich nicht tragisch, denn er dachte wegen seines fortgeschrittenen Alters schon seit Jahren über den Rückzug ins Private nach. Aber er würde sich weder sein Lebenswerk noch seine Reputation als Eugeniker zerstören lassen.
Svensson studierte die Akten, die dieser Kommissar Beyer von ihm haben wollte. Wie viele Frauen hatten in den Achtzigern einen Elite-Spender gebucht? Es waren sehr wenige gewesen, die es sich sowohl finanziell als auch moralisch geleistet hatten. Damals hatten donogene Insamination und In-vitro-Fertilisation noch einen eher experimentellen Status. Die Frau, die das erste sogenannte Retortenbaby zur Welt gebracht hatte, war von den behandelnden Ärzten nicht darüber informiert worden, dass sie die Erste war. Und schon faselten die Feministinnen von Humanexperimenten, von Menschenwürde, dem Selbstbestimmungsrecht der Frau, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und unterstellten dazu den durchweg männlichen Reproduktionsmedizinern eine Art Gebärneid als Motiv für die Forschung, mit deren Hilfe sie sich dann als Schöpfer der weiblichen Fortpflanzungsfähigkeit begreifen könnten. Was für ein Blödsinn! Svensson erinnerte sich noch mit Schrecken an eine wortgewaltige Studentin, die ihm bei einer Pressekonferenz in den späten Achtzigern das Zitat einer Feministin namens Gena Corea aus ihrem Buch »MutterMaschine«
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