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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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an den Kopf geworfen hatte: »Die Frau, einst vergöttert als Lebensspenderin, liegt heute auf dem OP-Tisch mit zugeklebtem Mund und bekommt ihre Eier aus dem Leib gesaugt!« Einige der anwesenden Journalisten hatten diesen plakativen Schwachsinn dankbar aufgegriffen. Und er hatte mit ansehen müssen, wie seine vielversprechende Forschungsarbeit immer mehr durch die Ahnungslosigkeit der öffentlichen Meinung und schließlich durch das Embryonenschutzgesetz beschränkt wurde. Und das nannten sie dann Fortschritt!
    Svensson konnte sich immer wieder echauffieren über die Widrigkeiten, die ihm seiner Meinung nach vornehmlich lesbische Studentinnen in lila Latzhosen eingebracht hatten. Er sprach dem Feminismus ganz klar jegliche Existenzberechtigung ab. Eine Gleichstellung von Männern und Frauen wäre eine Katastrophe für beide Seiten, fand er. Frauenquoten, Frauenparkplätze und andere Bevorzugungen in allen Bereichen waren nur unsinniger Ausdruck der Meinung, man könne eine – lediglich subjektiv empfundene – Ungerechtigkeit mit einer anderen ausgleichen.
    Ihm war immer klar gewesen, dass ein Teil seiner Patientinnen sich künstlich befruchten ließ, weil sie Männer als ein Übel betrachteten, das nun nicht mehr notwendig war. Die alte Martha Weininger war genau der Fall von verblendeter Männerhasserin, die ihm sein wissenschaftliches Leben immer erschwert hatten. Andererseits hatte sie ihre Tochter Sybille zu einer Elite-Samenspende überredet, ihm damit eine erhebliche Summe in die Kasse gespült und geholfen, den menschlichen Genpool zu verbessern. Bedauerlich hatte Svensson lediglich gefunden, dass viele dieser reichen und selbstbewussten Frauen, die damals zu ihm kamen, unbedingt eine Tochter haben wollten. Hochbegabt und gesund bitte schön. Er hatte ihnen den Gefallen durch Selektion und Präimplantationsdiagnostik getan. Beides war seit 1991 verboten.
    Svensson ließ von seinen verbitterten Gedanken ab und konzentrierte sich auf die Akten. Er wusste, dass es nur wenige Patientinnen gab, die sich das Elite-Programm hatten leisten können. Vier davon hatten Söhne geboren. Die schloss er aus. Eines der Mädchen war kurz nach der Geburt gestorben. Er erinnerte sich an Regressforderungen der Mutter. Ein lächerlicher Vorgang! Ein anderes Mädchen hatte im Alter von dreizehn Jahren Selbstmord begangen, eine dritte war durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Es blieben in chronologischer Reihenfolge die Tochter von Isabelle Brandauer, die von Sandrine Lacour, Sybille Weininger, Petra Rahnberg und Barbara Jacob, die den Elite-Samen von ihrem Erbe bezahlt hatte. Als er auf das Geburtsdatum des Jacob-Kindes blickte, wurde ihm klar, dass es sich bei ihr um die entführte Zehnjährige handeln musste. Über die Tochter Isabelle Brandauers wusste er nichts. Da die Mutter schon während ihrer Schwangerschaft nach Australien ausgewandert war und nie wieder von sich hören gelassen hatte, konnte eine Gefährdung dieser Tochter am anderen Ende der Welt wohl ausgeschlossen werden. Svensson schloss die Dateien mit dem Gefühl, seine Schuldigkeit getan zu haben. Das kleine Detail, das ihm bei der Durchsicht aufgefallen war, würde der Polizei nichts nützen, noch ergab sich daraus eine Bedrohung für ein weiteres Mädchen. Es erschien ihm lediglich wie eine anekdotische Fußnote. Dennoch wollte er sich absichern, denn es betraf nicht irgendeine seiner Patientinnen, sondern die, die ihm aufgrund ihrer Machtfülle am ehesten Ärger bereiten konnte. Und es jederzeit ohne Zögern tun würde, wenn irgendetwas über sie an die Öffentlichkeit drang. Also rief er sie an.
    »Hallo, Clarissa, hier Svensson … Ich will dich nicht beunruhigen, nur informieren. Auch wenn es gar nichts mit dir zu tun hat. Aber die Polizei war gerade hier.« Svensson fasste so knapp und verharmlosend es ging zusammen, was er erfahren hatte. Clarissa unterbrach ihn nicht. Er hörte sie nur schwer atmen. Als er geendet hatte, verlangte sie klar und unmissverständlich, dass er sofort alle Dateien zu löschen hatte, die sie auch nur im Entferntesten betrafen. Und dass er als kompletter Computeridiot das gefälligst nicht selbst zu bewerkstelligen habe, indem er einfach auf die »delete«-Taste drückte, sondern seinen fähigsten Systemadministrator damit beauftrage, jegliches Fitzelchen zu atomisieren, sodass nichts, aber auch gar nichts auf irgendeiner Schleife der Festplatte herumschwirrte. Svensson wusste nicht genau, wovon Clarissa sprach. Er

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