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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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des Menschen ist, das wird in die Welt der Dinge prophezeit, es wird Ereignis. Eine ernste Stunde schlägt. Es wird den Frauen theoretisch und praktisch möglich sein, zu zeugen und doch nie eines Mannes Antlitz zu sehen. Die Männer als sexuelle Gesamtheit werden zwar bei der Zeugung noch weiterhin mitreden müssen, der einzelne Mann nicht. Mutterschaft ohne Ehe, Mutterschaft ohne Liebe. Der Gedanke ist ungeheuerlich, aber man wird ihn ausdenken, wird seine juristischen und soziologischen Folgerungen ziehen müssen. Es soll gesagt werden: die Befürchtung ist nicht ausgeschlossen, dass sich nach und nach ein Teil der Frauen vom Manne löst, von ihnen abfällt, wie ein abgebrochener Ast vom Baume. Es wird nicht der beste Teil der Frauen sein, und das Ungeheuere wird nicht morgen oder übermorgen kommen. Aber dem Typus der Männerhasserin, des selbstgefälligen Mannweibs hat diese Erfindung gerade noch gefehlt. Menschen! Das dritte Geschlecht ist in der Welt. «
     
    Anna sah Daniel über die Schulter und las noch einen zusätzlichen Passus:
     
    »Es wird dann außer den Kindern der Ehe und den ›Kindern der Liebe‹ Kinder der Lieblosigkeit geben. Medizinische Präparate, die leben werden. Homunculus aber wird und muss den Menschen hassen. «
     
    Als Anna den Blick hob, sah sie in Petra Rahnbergs Augen Tränen glitzern.
    »Was für ein stupider Sexismus«, entfuhr es Petra. »Und deswegen soll meine Tochter …?«
    »Der Text ist von 1912, Petra. Der Mörder ist jung. Es steht zu vermuten, dass er eine etwas andere Einstellung hat als der Autor dieses Textes«, sagte Kratz. Er hatte sich in einen Sessel etwas abseits von den anderen und außerhalb des Lichtkreises gesetzt, den die große Stehlampe warf. Seine Stimme klang so düster wie der ihn umgebende Schatten.
    »Ich werde so schnell wie möglich ein Profil des Täters erstellen. Informationen habe ich nun jede Menge.« Anna bemühte sich, das Gespräch wieder zu versachlichen. Ihr war aufgefallen, dass Sybilles Hand, als sie nach dem Weinglas griff, mindestens so verdächtig zitterte wie Petra Rahnbergs Stimme.
    Christian wandte sich an die beiden Mütter: »Ich hätte da noch eine vielleicht nebensächliche Frage. Mit wessen Samen wurden ihre Töchter gezeugt?«
    Petra und Sybille sahen sich kurz an. Sybille nickte. Petra ergriff das Wort: »Wir waren alle bei der gleichen Adresse. In Kalifornien war 1980 eine Art Samenbank für Genies gegründet worden. Die Spender waren allesamt Nobelpreisträger. Wir, das heißt Frau Weininger, Frau Lacour und ich, gerieten damals in München an ›Living Angels‹, einen in Deutschland inoffiziellen Ableger der Amerikaner. Inoffiziell, weil damals dort schon Methoden favorisiert wurden, die als fragwürdig gebrandmarkt waren und deshalb seit dem Embryonenschutzgesetz verboten sind: die sogenannte missbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken etwa, das Übertragen einer fremden unbefruchteten Eizelle auf eine Frau, verbotene Geschlechterwahl und künstliche Befruchtung nach dem Tode des Spenders. Die amerikanische Samenbank wurde 1997 geschlossen, der deutsche Ableger existiert weiter, das habe ich gecheckt. Selbstredend hält man sich dort offiziell an das Embryonenschutzgesetz. Aber ich vermute, das große Geld wird immer noch ganz anders verdient. Hier ist die Adresse.«
    Christian bekam einen Zettel von Petra. München. Er würde fliegen müssen. Dann wandte er sich an Kratz: »Sie wissen, was jetzt kommt?«
    »Falls ich auch nur ein einziges Wort von dem schreibe, was ich heute oder gestern oder jemals in meinem ganzen überflüssigen Scheißleben gehört habe, bevor Sie mir grünes Licht geben, zerreißen Sie mich in der Luft wie eine nasse Zeitung.«
    »Nein. Ich erschieße Sie.«
    »Genau. Das habe ich gemeint.«
    »Das Gleiche gilt für jegliche Verlautbarungen aus Ihrem Mund«, wandte sich Christian an Petra und Sybille. »Reden Sie mit niemandem darüber. Mit wirklich und wörtlich niemandem! Wir wollen nicht die Pferde scheu machen, bevor wir bei der Samenbank in München einreiten.«
    Kurz darauf wurde die Sitzung aufgehoben. Sybille übernachtete bei Petra. So unterschiedlich die beiden Frauen sein mochten, sie schienen sich zu mögen. Morgen würden sie mit Christian nach München fliegen. Sie hatten ihn mit Annas Hilfe überzeugt, dass sie als ehemalige Kundinnen möglicherweise eher Zugang zu benötigten Unterlagen bekamen als Christian. Er hatte bislang kaum Druckmittel. Die Herren von der

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