Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
Vom Netzwerk:
Kommunikationswege noch so virtuell sein, das Bedürfnis nach einer Höhle war in einer Art kollektivem Unbewussten seit Urzeiten verankert. Fast jeder Mensch besaß ein Rückzugsgebiet, in dem er sich von dem Rollenspiel der Realität erholte. Fast jeder besaß eine Adresse. So auch Niklas Schmitt.
    Howela stand schwitzend vor der Höhle des Mörders und wollte seinen Beobachterposten gerade aufgeben, um in das Haus einzubrechen, als Schmitt vor die Tür trat. Howela konnte sein Glück kaum fassen. Er hatte lediglich gehofft, in der Behausung Anhaltspunkte für die künftigen Reisepläne und Aufenthaltsorte von Niklas zu finden. Er wollte ihn irgendwo abpassen, damit Clarissa ihre noch offenen Fragen klären und sich vor unliebsamen Überraschungen schützen konnte. Danach würde er ihn töten. Nun spielte der Zufall ihm in die Hände. Niklas Schmitt war nur etwa achtzig Meter von ihm entfernt. Zum Greifen nah.
    Die Dämmerung senkte sich langsam über die Stoppelfelder.
    Am Himmel brauten sich Unwetterwolken zusammen. Schon zuckten in der Ferne Blitze durch das Ultramarin, das immer mehr von einem schweren Bleigrau verdrängt wurde. Howela stand im Schatten einiger verkrüppelter Tannen und wedelte genervt die Stechmücken hinweg, die seine schweißnasse Stirn und die Wangen bevölkerten. Er hasste diese Viecher. Nicht nur juckten ihn die vielen Stiche, das ständige Sirren störte ihn in seiner Konzentration. Howela überlegte, wie er vorgehen wollte. Es gab nicht allzu viele Optionen. Soweit er das beobachten konnte, war Niklas allein, saß in aller Gemütsruhe auf der aus losen Holzdielen improvisierten Veranda und trank Bier. Es war unmöglich, sich unbemerkt heranzupirschen. Howela wusste nicht, ob Niklas bewaffnet war, aber er ging davon aus. Er selbst trug seine SIG Sauer P220 im Schulterhalfter. Es war kein Problem gewesen, die Grenze nach Luxemburg vom Saarland aus ohne Kontrolle zu passieren.
    Er würde warten, bis Niklas sich ins Haus zurückzog, und dann das Überraschungsmoment nutzen. Er würde ihn niederschlagen, fesseln und knebeln, sein Auto holen, Niklas in den Kofferraum packen und nach Deutschland verfrachten. Dort wollte er Clarissa an einem verschwiegenen Ort einen letzten Kontakt ermöglichen. Denn danach würde Niklas in irgendeinem See verschwinden, klassisch beschwert mit Betongamaschen oder Ähnlichem. Howela schlug ein paar Mücken tot, die angeregt durch die Dämmerung und das aufkommende Gewitter in Schwärmen über ihn herfielen.
    Erleichtert sah Howela, dass Niklas endlich die Veranda verließ und ins Haus schlenderte. Im Wohnzimmer flammte Licht auf. Ein wenig wollte er noch warten, bevor er sich im Schutz der Dunkelheit auf den Weg zum Haus machte. Plötzlich vibrierte sein stumm geschaltetes Handy in der Hosentasche und vermeldete den Eingang einer Nachricht: ›Wie lange wollen Sie noch sinnlos da rumstehen, Howela? Ich erwarte Sie schon seit Stunden. Falls Sie eine Extra-Einladung brauchen, drehen Sie sich um. Am besten ganz langsam und ohne hektische Bewegungen. N.‹
    Howela begriff sofort. Er war in eine Falle getappt. Smash war von Rafael Jürgens gezielt durch die Nebelbomben geführt worden – bis hin zu der luxemburgischen Adresse. Er war offensichtlich sogar so dämlich gewesen, die vermeintliche Erfolgsmeldung ohne jegliche Verschleierung vom gleichen Computer aus an ihn zu senden. Damit hatte er Howelas Identität offengelegt. Howela nahm sich fest vor – falls er den heutigen Tag überleben würde – Smash einen Besuch abzustatten, seinen Schädel in eine Bratröhre zu stecken und sein verblödetes Hirn zu grillen. Vorsichtig und ohne hektische Bewegung drehte Howela den Kopf zur Seite. Er blickte in die Mündung einer 44er-Magnum.
    »Beweg dich, sale boche«, sagte ein breitschultriger, dunkelhaariger Kerl Anfang dreißig, der einen ledernen Cowboyhut trug und gelangweilt auf einem Zahnstocher herumkaute. Zweifelsohne versuchte er die Coolness des frühen Clint Eastwood zu kopieren. Howela bewegte sich.
    Niklas saß in seinem kleinen Wohnzimmer und schaute entspannt zu, wie der Eastwood-Verschnitt Howela durchsuchte und entwaffnete. Der Cowboy legte Howelas SIG Sauer, sein Handy und sein Portemonnaie mit allen Ausweispapieren wie Opfergaben vor Niklas auf den Tisch. Dann fesselte er Howela fachmännisch mit Händen und Füßen an einen Stuhl. Niklas verabschiedete seinen Helfer auf französisch. Howela verstand kein Wort. Er sah sich um. Niklas besaß einen

Weitere Kostenlose Bücher