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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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meine Halbschwestern.«
    9. September 2009:
Hamburg.
    Müde saß Christian mit einem abgestandenen Kaffee im Konferenzraum der Soko-Einsatzzentrale. Zum wiederholten Male las er die Berichte der letzten Tage und besah sich die beiliegenden Skizzen. Alle an Karens Personenschutz Beteiligten waren so sehr bemüht, alles richtig zu machen, dass sie entgegen üblicher Gepflogenheiten sogar Berichte anfertigten über Tage, an denen absolut nichts Erwähnenswertes geschah. Es waren Dokumente des Scheiterns:
     
    Montag, 7. September 2009, Hamburg, Bahrenfeld.
    Um 22:36 Uhr verlässt Kommissaranwärter Henry Bohm mit der zu schützenden Person Karen K. das Restaurant »Rach & Ritchie« am Holstenkamp 71. Gemäß der Absprache lässt sich Kommissaranwärter Bohm von der als Passantin getarnten Polizeimeisterin Beate Schumacher ansprechen. Er gibt ihr Feuer, verwickelt sich in ein kurzes Gespräch und zeigt sich abgelenkt von der Schutzperson. Die Schutzperson geht gemäß Absprache allein weiter und begibt sich zur Seitenstraße, wo ihr Fahrzeug in einer dunklen Ecke geparkt ist. Im Umfeld ihres Fahrzeugs halten sich verdeckt Kommissaranwärter Franke und Kommissar Kolle auf, falls …
     
    Christian ließ das Protokoll sinken. Sie hatten Niklas Schmitt ein Zeitfenster von einigen Minuten gegeben, in denen er sich Karen scheinbar relativ gefahrlos hätte nähern können. Aber nichts war passiert. Karen erzählte ihm danach am Telefon, dass sie in höchster Anspannung zu der schlecht beleuchteten Seitenstraße geschlendert war. Sie hatte sich nicht gefürchtet, schließlich besaß sie einen schwarzen Gürtel in Karate und trug eine Waffe. Außerdem gab es in zwei Hauseingängen versteckt noch die zusätzlichen Beamten, die auf eine Möglichkeit zum Zugriff warteten. Angst war es nicht, was sie gefühlt hatte. Es war Ungeduld gewesen. Sie wollte, dass etwas passierte. Christian hatte Karen ernsthaft ermahnt. Sie durfte nicht schon am zweiten Tag die Geduld verlieren. Sonst würde sie das Ganze unmöglich noch eine Woche aushalten oder gar zwei.
    Nach dem Telefonat mit Karen hatte Christian überlegt, ob er sich vielleicht irrte und Niklas Schmitt noch gar nicht in der Stadt war. Der nächste Tag jedoch sollte seine ursprüngliche Vermutung bestätigen. Christian ließ ihn noch einmal Revue passieren:
     
    Dienstag, 8. September 2009, Hamburg, Rotherbaum, Grindelhof 14a. Um 22:17 verlässt Schutzperson Karen K. nach einem After-Work-Getränk mit Kollegen aus der Rechtsmedizin das »Abaton Bistro«. Sie wird begleitet von Kommissaranwärter Henry Bohm. Die beiden inszenieren gemäß Absprache einen Streit, in dessen Verlauf die Schutzperson deutlich verlautbaren lässt, dass sie für fünf Minuten allein Luft schnappen möchte. Die Schutzperson entfernt sich Richtung Allende-Platz. Kommissaranwärter Bohm behält sie vorerst im Auge und zündet sich eine Zigarette an. Durch einen aus dem »Abaton Bistro« herauskommenden Pulk von Gästen (vier an der Schutzmaßnahme beteiligte Polizeibeamte) verliert Henry Bohm die Schutzperson weisungsgemäß aus den Augen. Die Schutzperson begibt sich zwischen die auf dem Allende-Platz geparkten Autos und schlendert zum Unigelände …
     
    Karen hatte auf dem recht verlassenen Gelände herumgestanden und gewartet. Zwei vereinzelte Passanten waren achtlos an ihr vorbeigegangen. Dann war sie allein gewesen. Vergeblich hatte sie in sich hineingehorcht, ob sie eine Art Bedrohung fühlte. Ob er in der Nähe wäre. Aber sie hatte nichts gespürt außer dem Unwohlsein, von ihren Beschützern beobachtet zu werden. Dann näherten sich Schritte. Aus dem Schatten eines Baumes löste sich ein Mann. Karen konnte nur die Umrisse erkennen. Es schien, als hätte er eine Mütze auf. Er kam ein, zwei Meter auf sie zu, anscheinend absichtslos. Plötzlich stutzte er und hielt an. Ein Rascheln und ein unterdrücktes Geräusch hatten seine Aufmerksamkeit erregt. Er sah in die Richtung der Müllcontainer, die am Durchgang zur Unibibliothek standen, drehte sich abrupt um und rannte weg. Ein Beamter kam hinter dem Müllcontainer hervorgestürzt, Henry Bohm sprintete aus Richtung Allende-Platz dazu. Beide hetzten sie dem Unbekannten hinterher. Erfolglos. Die Verfolger hörten nur noch das Geräusch eines Motorrads, das angeworfen wurde und sich mit hohem Tempo entfernte.
    Bei der darauffolgenden Manöverkritik hatte sich herausgestellt, dass dem Beamten hinter dem Müllcontainer eine Ratte über den Fuß gelaufen war.

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