Puppenspiele
weiß, dass wir in München bei Svensson waren. Er kann nicht davon ausgehen, dass Karen über ihre Herkunft im Unklaren ist. Dazu ist er zu klug. Also wird er mit Polizeischutz für Karen rechnen.«
Herd schlug sauer mit der Faust auf den Tisch: »Wenn ich daran denke, dass der Kerl in der Hotelbar in Straßburg nur ein paar Meter entfernt gesessen hat! Direkt vor unserer Nase! Ich könnte wirklich kotzen!«
»Und dann ist er auch noch so arrogant, uns seinen Besuch per SMS anzukündigen. Anscheinend will er spielen«, sagte Christian ebenso verärgert. »Genau das müssen wir nutzen, um ihm eine Falle zu stellen.«
»Hast du einen Plan?«, fragte Herd.
»Er geht garantiert davon aus, dass wir Karen beobachten und verkabeln. Dass wir uns bemühen, sie keine Sekunde aus den Augen zu lassen, um ihm keine Angriffsfläche zu bieten.«
»Was erfahrungsgemäß und laut Chaos-Theorie schier unmöglich ist«, warf Daniel ein.
»Er ist kein Heckenschütze. Er will Karen lebend. Das macht es für ihn erheblich schwieriger.«
»Aber für uns nicht unbedingt leichter.« Herd blieb weiterhin skeptisch.
»Im Grunde schon. Wir könnten Karen einen nahezu lückenlosen Schutz bieten. Es würde extrem schwierig, vielleicht sogar unmöglich sein, unser Bündel an Sicherheitsmaßnahmen auszuhebeln. Aber der Kerl ist hochintelligent. Wir dürfen ihn nicht unterschätzen.«
»Deshalb halte ich es für grundverkehrt, Karen einem solchen Risiko auszusetzen«, sagte Anna.
»Geht mir genauso«, mischte sich Yvonne zum ersten Mal zaghaft ein.
Christian insistierte: »Bevor Schmitt eine Lücke in der Überwachung seiner Zielperson finden kann, müssen wir ihm eine inszenieren. Sie muss überzeugend sein, damit er genau dann zuschlägt, wann wir es wollen. Und wo wir wollen. Wir werden eine Flanke öffnen und hinter ihm wieder schließen.«
»Du redest von Karen, nicht von irgendeiner ›Zielperson‹!« Daniel war mulmig bei Christians Überlegungen.
»Wir werden nichts tun, was Karen nicht will. Und nichts, was sie gefährdet.«
»Glaubst du, dass er schon in der Stadt ist?«, fragte Anna.
»Er hat mit ihr in Straßburg und Paris Kontakt aufgenommen. Bei den bisherigen Opfern war die Zeitspanne zwischen Erstkontakt und dem Gewaltakt sehr kurz.«
»Warum hat er nicht gleich in Paris zugeschlagen?«, überlegte Yvonne.
»Unbekanntes Terrain. Weder in Straßburg noch in Paris hat Karen ihre üblichen Wege eingeschlagen und ist fest gefügten Zeitplänen gefolgt. Er konnte nichts vorbereiten, nichts planen«, mutmaßte Herd.
»Das sehe ich genauso«, stimmte Christian zu. »Ich glaube, dass er sich schon vor der ersten Kontaktaufnahme eingehend mit den Lebensgewohnheiten seiner Opfer vertraut macht.« Er wandte sich an Daniel: »Wann, sagtest du, wurde in die Computer von ›Living Angels‹ eingebrochen?«
»Der Crack, dem ich bis in die ukrainische Leihbibliothek folgen konnte? Das war am sechsten Februar.«
»Seitdem besitzt er eine Liste seiner Opfer. Er hatte ausreichend Zeit, sie auszukundschaften.«
»Und ich habe ihm auch noch alles Mögliche erzählt, blöd wie ich bin!« Karen stand entspannt im Türrahmen. Keine Spur von Angst, kein Schatten um die Augen, der von dem Damoklesschwert über ihrem Haupt geworfen wurde. Volker trat hinter ihr ein. Die beiden setzten sich dazu. Volker schnappte sich die Reste von Daniels Essen und stopfte die kalten Pommes in sich hinein. »Es gibt was Neues. Erzähl mal, Karen!«, sagte er mit vollem Mund.
»Hat Schmitt sich bei dir gemeldet?«, fragte Christian.
»Noch nicht. Aber gestern Abend nach meinem Gespräch mit Anna kam ich auf eine Idee. Ärgert mich, dass ich es nicht schon früher überprüft habe.«
Außer Volker, der aufs Essen konzentriert war, sahen alle Karen erwartungsvoll an.
»Ich habe gestern Nacht meine Kollegen in den rechtsmedizinischen Instituten in Tübingen, München, Berlin und Straßburg angerufen und um eine Simulationsberechnung der autosomalen Marker von den Opfern gebeten.«
»Wie schön«, meinte Christian trocken. »Und was ist das?«
»Ein Test des Verwandtschaftsverhältnisses. Funktioniert ähnlich wie der allseits bekannte Vaterschaftstest. Die Ergebnisse sind eben angekommen.«
»Aha.« Christian wusste nicht, worauf Karen hinauswollte.
»Alle Opfer, außer Sarah Kopper, stammen nicht nur von der gleichen Samenbank, sondern auch vom gleichen Spender. Mira Weininger, Catrin Rahnberg, Sandrine Lacour und Jenny Jacob sind Halbschwestern –
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