Puppenspiele
Schönheitschirurgie und Wohltätigkeitsbällen, während sich ihre Männer längst den Sekretärinnen in ihren Vorzimmern widmeten. Wenn Clarissa gelegentlich die traurigen Lebensrealitäten dieser Gattinnen auf einer Party bedauerte, warf man ihr Neid oder die gehässige Reproduktion billiger Klischees vor und verwies auf eine stadtbekannte Düsseldorfer Vorzeige-Ehe, in der die traditionelle Rollenverteilung seit Jahrzehnten harmonisch funktionierte. Clarissa wusste es besser: Sie selbst hatte den Vorzeige-Ehemann mehrfach in ihrem Bett beherbergt. Ebenso wie sie auch Herbert Ackermann kurzfristig eine außerhäusige Heimstatt geboten hatte. Irene Ackermann wusste vermutlich darüber Bescheid. Wie die meisten Ehefrauen. Sie waren weder blöd noch blind, sie sahen nur bewusst darüber weg.
Irene und Clarissa begrüßten sich dennoch wie alte Freundinnen mit den üblichen Wangenküsschen und ein paar Sätzen über gemeinsame Bekannte. Dann führte Irene Clarissa zur Bibliothek. Thomas Howela war schon anwesend. Er saß Herbert gegenüber in einem der ledernen Klubsessel und nippte an einem Cognac.
Howela machte einen überraschend unauffälligen Eindruck. Er war Ende fünfzig, das mittelblonde, mit grauen Fäden melierte Haar schütter, der Blick ausdruckslos, die Figur gedrungen. Er steckte in einem mittelmäßigen, grauen Anzug, seine Schuhe wirkten weder neu noch abgetreten. Nichts an ihm stach hervor, außer vielleicht der Siegelring mit dem Achat, den er am kleinen Finger der linken Hand trug und in den verschnörkelt seine Initialen eingraviert waren. Insgesamt wirkte Howela wie ein an seiner Umwelt völlig desinteressierter Buchhalter. So erhob er sich auch wenig engagiert aus seinem Sessel, als Clarissa eintrat und von Herbert vorgestellt wurde. Die Herren setzten sich, als Clarissa Platz genommen und von Herbert ihren Single Malt bekommen hatte.
»Ich habe Herrn Howela schon über die Eckdaten deines Problems in Kenntnis gesetzt«, eröffnete Herbert ohne große Umschweife das Gespräch.
»Und?« Clarissa wandte sich an Howela. »Können Sie da was tun?«
»Ich hoffe doch sehr, Frau Wedekind. Allerdings wäre es notwendig, noch zusätzliche Informationen über den Sachverhalt von Ihnen zu bekommen.«
»Was wollen Sie wissen?«
Howelas bislang scheinbar gelangweilt herumschweifender Blick fixierte Clarissa plötzlich mit erstaunlicher Konzentration. In diesem Blick lag eine derartig schamlose Direktheit und Wucht, dass Clarissa fast erschrak. Sie begriff auf einen Schlag, dass dieser Mann, der sich perfekt als uncharismatisches Etwas in einer Ecke zu tarnen wusste, von enormer Präsenz sein konnte – wenn er wollte. Obwohl er ihr einfach nur in die Augen sah, hatte sie das Gefühl, er würde sie unanständig befummeln. Sein Blick machte sie an. Sie spürte, dass er es bemerkte, was für Clarissa der Gipfel der Unverschämtheit war. Und sie noch mehr anmachte.
»Haben Sie den Mann vorher schon einmal gesehen? Bevor er in Hamburg an Sie herangetreten ist?«
»Noch nie.«
»Sie wollen darüber reden, womit er Sie erpresst?«
»Keineswegs.«
»Ich muss alles über diesen Mann wissen. Alles, was Ihnen aufgefallen ist und mir irgendwie weiterhelfen könnte.«
Clarissa beschrieb aufs Genaueste das äußere Erscheinungsbild von Stephan Wöhler. Sie konnte sogar die exklusiven Hersteller seiner Manschettenknöpfe und seiner Uhr nennen. »Außerdem hat er ganz offensichtlich eine höhere Bildung genossen. Er kann sich kultiviert ausdrücken, bewegt sich sehr selbstsicher – sogar in meiner Gegenwart. Das tun die wenigsten Männer.«
»Warum sollte er unsicher sein? Er hat sie in der Hand.«
»Das haben bei Clarissa schon viele Männer geglaubt«, warf Herbert trocken ein.
»Im Moment sind die Trümpfe auf seiner Seite. Ich will, dass Sie das ändern!« Clarissas Tonfall ließ keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit aufkommen.
»Was genau wünschen Sie, dass ich tue, wenn ich den Herrn finde?«
»Sie bringen ihn mir. Ich will mit ihm reden. Dann sehen wir weiter.«
Howela nickte. »Herr Ackermann meinte, Sie hätten einen Tipp für mich. Wo fange ich mit der Suche an? In Hamburg?«
Clarissa zog einen Zettel aus ihrer Handtasche und reichte ihn Howela: »Sie beginnen in Hamm. Das hier ist der Name seiner Mutter und die Anschrift des Krankenhauses, wo sie ihn 1982 geboren hat.«
Verblüfft sah Herbert zu Clarissa: »Du kennst seine Mutter?«
»Nein. Ich habe sie nie gesehen.«
Howela sah auf den
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