Puppenspiele
Zettel: »Beatrix Kowalski. Eine Polin oder polnisch-stämmig?«
»Soweit ich das weiß, war sie Deutsche. Wo ihre Eltern oder Großeltern herkamen, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Vor gut zwei Jahren hat sie sich das Leben genommen, das habe ich recherchiert. Aber das tut nichts zur Sache. Sie hat ihren Sohn direkt nach seiner Geburt zur Adoption freigegeben. Da müssen Sie ansetzen. Wo ist das Baby damals gelandet? Wie wurde er genannt? Was ist aus ihm geworden?«
»Ich werde ausreichend finanzielle Mittel benötigen, um bürokratische Hindernisse zu beseitigen.«
»Finden Sie ihn. Koste es, was es wolle.« Clarissa reichte ihm ihre Visitenkarte. »Die handgeschriebene Nummer auf der Rückseite ist mein privates Handy. Meine private E-Mail habe ich ebenfalls notiert. Ich erwarte jeden Abend noch vor zehn Uhr einen schriftlichen Tagesbericht. Bei besonderen Vorkommnissen können Sie mich jederzeit unter der angegebenen Privatnummer erreichen.«
»Wenn Sie es wünschen, komme ich gerne auch persönlich bei Ihnen vorbei und erstatte Bericht.«
Wieder hatte er diesen unverschämt präsenten Blick, mit dem er Clarissa ohne eine Spur von Lächeln fixierte. Sie gab sich unbeteiligt. Howela versprach, sein Möglichstes zu tun und verabschiedete sich.
Herbert und Clarissa blieben zurück.
»Was ist das für eine Geschichte mit der Mutter, Clarissa?«
»Dein Single Malt schmeckt hervorragend. Aber es ist kein Islay, richtig?«
»Du wirst mich hoffentlich nicht in irgendeine üble Scheiße reinziehen, oder?«
Clarissa dachte an das Päckchen, das ihr Tanja auf den Schreibtisch gelegt hatte. War das tatsächlich erst zwei Tage her? Sie wusste, dass sie mit Howela darüber sprechen musste. Der Mann, den er in ihrem Auftrag suchte, war möglicherweise gefährlich. Noch konnte Clarissa nicht richtig einschätzen, was das mit dem Herzen überhaupt sollte. Und wo es herkam. Sie vermutete jedoch, dass es nichts Gutes zu bedeuten hatte. Und sie wusste, Herbert würde nicht sehr erfreut sein, wenn er etwas davon hörte.
»Das würde ich nie tun, Herbert, und das weißt du.«
Herbert prostete ihr gestisch zu. Eines wusste er ganz sicher: Clarissa konnte lügen, ohne mit der Wimper zu zucken.
23. August 2009:
Hamburg.
Am Abend des nächsten Tages traf Christian in Hamburg ein. Er verabredete sich mit Herd und Daniel auf eine Fischsuppe und ein Bier im »Odysseus« in Eimsbüttel. Christian hatte keine Lust, mit seinem deprimierenden Zwischenbericht in ihre deprimierende Einsatzzentrale in der Schanzenstra ße zu kommen. Die alten Räume, die sie vor Jahren dort bezogen hatten, waren weder ansprechend, noch sonderlich funktional oder gar klimatisiert. Sie hatten die Altbauwohnung bei Gründung der Soko Bund vom Drogendezernat übernommen, das von dort aus eine Zeit lang die Kleindealer am gegenüberliegenden S-Bahnhof überwacht hatte. Als die Soko Bund ihre ersten Erfolge verbuchen konnte, bot der Polizeipräsident, ein eingeschworener Gegner Christians, der Truppe gezwungenermaßen die Rückkehr in die repräsentativen Räume des Präsidiums an. Mit Klimaanlage und Cola-Automaten auf dem Flur. Doch Christian und seine Männer zeigten sich stur und blieben in ihrer Butze, fernab von den Annehmlichkeiten des modernen, sternförmigen Hauptgebäudes. Und fernab von manchen missgünstigen Kollegen und Vorgesetzten.
Trotz des fortgeschrittenen Abends waren es immer noch annähernd dreißig Grad. Feuchtheiße Luft beschwerte Hamburg, kein Lüftchen regte sich. Christian setzte sich nach draußen und gab seine Bestellung auf. Es dauerte nicht lange, bis Herd und Daniel eintrafen. Yvonne, die von allen gemochte Teilzeitsekretärin der Truppe, war auch dabei. Christian hatte sie bei Gründung der Soko eingestellt, weil sie jung, schlau und liebenswert frech war. Inzwischen studierte Yvonne Psychologie und war fest entschlossen, wie ihr großes Vorbild Anna zu werden. Keiner der Soko hatte ein Problem damit, dass Yvonne ihre Arbeitszeiten selbstständig nach ihrem Vorlesungsplan gestaltete. Sie hatte den Laden im Griff, und wenn sie da war, gab es immer frischen Kaffee, Hackbrötchen mit Zwiebeln und gute Laune.
Christian fasste die mageren Ergebnisse der bisherigen Suche nach einem nicht existierenden Thorsten Brinken zusammen. Wie erwartet konnten bislang keine Zeugen aufgetrieben werden, die eine hilfreiche Aussage gemacht hatten. Auch Karens vorläufige Ergebnisse der Autopsie waren nicht durch neue Details ergänzt
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