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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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erzählen, was wir wissen. Es geht um eine Erbschaft!« Ruth stand auf und brachte Isabel einen schweren Kristallaschenbecher.
    Isabel lachte belustigt auf: »Ihr glaubt echt, ihr kriegt was ab vom Kuchen? Seid ihr bescheuert? Wo ihr den kleinen Bastard mit sieben ins Heim abgeschoben habt?«
    Howela fand Isabel erfrischend. Außerdem kamen nun endlich mal ein paar Informationen auf den Furniertisch.
    »Aber nur, weil es nicht mehr anders ging. Weil wir unsere Isabel unbedingt vor dem schlechten Einfluss von Niklas schützen mussten.«
    »Was war denn so schlimm an Niklas?«, fragte Howela.
    »Alles«, sagte Ede. Seine Welt war wenig differenziert.
    »Am Anfang lief es ganz gut. Er war ein hübsches, kluges Kerlchen. Aber ich weiß auch nicht wieso, so richtig lieb haben konnte man ihn nicht. Er hat einen immer so vorwurfsvoll angeschaut, schon als kleines Kind.«
    »Ich hatte eine Puppe, die Pipi machen konnte. Die hat er mir immer geklaut und damit gespielt«, mischte sich Isabel ein. »Einmal kam ich in sein Zimmer, da hat er aus der Plastikmöse von der Puppe getrunken. Ich fand das voll krank, dass der das Pipi aus meiner Puppe säuft. Klar, da war Wasser drin, aber trotzdem! Jedenfalls hab ich ihn verpetzt. Von da an hat er mir das Leben zur Hölle gemacht.«
    Mit einem vorwurfsvollen Blick auf ihre Tochter, der vermutlich dem Wort »Plastikmöse« galt, fügte Ruth hinzu: »Niklas ist dann immer seltsamer geworden. Zuerst war er sehr gut in der Schule, aber nur im ersten Jahr. Dann ist er voll eingebrochen, hat überhaupt nichts mehr begriffen. Ich habe mir solche Mühe gegeben. Jeden Tag mit ihm Hausaufgaben gemacht. Aber nicht mal das kleine Einmaleins konnte ich ihm beibringen.«
    »Er war eben dumm«, ergänzte Ede. »Und ich sag immer: Dumm darf man sein, aber nicht frech. Nur – frech war er auch. Da hat sogar der Gürtel nix gebracht. Der Rotzlöffel wurde immer schlimmer. Einmal hat er mir die brandneuen Felgen von meinem Ford zerkratzt, das muss man sich mal vorstellen!«
    »Du und deine blöden Felgen«, mischte sich Isabel ein. »Niklas hat meinen Hamster Herrmann gekillt!«
    »Ja, das war schrecklich«, stimmte Ruth mitleidig zu. »Das arme Tierchen. Hat doch keinem was zuleide getan.«
    »Er hat ihn in eine Glasvase gesteckt, eine Steinplatte drübergelegt und zugeguckt, wie er langsam erstickt ist. Hat dabei die Zeit gestoppt. Hat echt gedauert, hat er gesagt. Dieses kranke Schwein!« Isabel drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus und stellte sich dabei offensichtlich vor, sie hätte Niklas’ Hand unter der Kippe.
    »Das war zu der Zeit, als er angefangen hat zu klauen. Zuerst nur Kleinigkeiten wie Kaugummi, obwohl wir ihm wirklich ein anständiges Taschengeld gegeben haben. Nicht übertrieben, die jungen Leute müssen ja lernen, mit Geld umzugehen, aber für ein Kaugummi hätte es allemal gereicht. Dann hat er immer mehr und immer öfter geklaut, auch mal ein Video oder so ’ne Baseballmütze.«
    »Das war der schlechte Einfluss von Lenny aus der Nebenstraße«, sagte Ruth.
    Isabel lachte auf: »Lenny, der Bettnässer? Der hatte keinen Einfluss auf Niklas, der hatte Schiss vor ihm!«
    »Jedenfalls hab ich ihm den Gürtel gegeben, als ihn wieder einmal die Bullen nach Hause brachten. Die Nachbarn haben sich schon das Maul zerrissen, dass wir den kleinen Scheißhaufen nicht in den Griff kriegen …«
    »An dem Tag«, fuhr Ruth fort, »wollte ich dann noch mal im Guten mit ihm reden und ihn trösten wegen der Schläge – obwohl, geweint hat der Niklas nicht, der hat nie geweint. Ich rede also mit ihm, dass das doch so nicht weitergeht und will ihn über den Kopf streicheln … da schlägt er meine Hand weg und schreit mich an: Wenn ich ihn noch einmal anfasse, dann würde er mich töten! Und dabei hat er mich angeguckt, dass es mir kalt den Rücken runtergerieselt ist. Der war erst sieben, das muss man sich mal vorstellen!«
    »Na ja, und dann war Schluss! Da hab ich das Jugendamt angerufen und kurz drauf kam er ins St.-Annen-Heim in Essen. Und meine Frau und meine Tochter hatten endlich wieder Ruhe. Mutti war ja völlig mit den Nerven runter!« Man sah Ede auch heute noch an, wie zufrieden er mit seiner damaligen Entscheidung war.
    »Das kann man verstehen«, bestätigte Howela Edmund Schmitt in der Rolle des Beschützers seiner Kernfamilie.
    »Wir haben doch nur was Gutes tun wollen. Einem armen Kind eine Heimat geben«, meinte Ruth traurig.
    Howela glaubte ihr. Die Schmitts waren

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