Puppenspiele
Voraussetzungen waren erfüllt. Dennoch hatten auch sie nichts verstanden, ihn nicht gemocht, von Liebe ganz zu schweigen. Sie gehörten nicht zu ihm und wollten nicht, dass er zu ihnen gehörte. Mira hatte langweiliges Zeug von Emanzipation gefaselt, war dabei aber nicht müde geworden, ein dem Emanzipationsgedanken diametral entgegenstehendes, grotesk verzerrtes Bild der romantischen Liebe zu entwerfen, von der sie glaubte, dass sie ihr zustehe. Bis er sich schließlich fragte, wieso sie in dem Ruf stand, hochintelligent zu sein. Sie hatte es nicht anders verdient, diese dumme Kuh, die sich weigerte, ihr wirkliches Wesen zu erkennen. Mit Catrin war es ähnlich gelaufen. Die war zwar weitaus amüsanter als Mira gewesen, aber sobald das Gespräch auf Gefühle gekommen war, hatte auch sie ohne jegliche Bedenken den Olymp ihrer geistigen Fähigkeiten in rasantem Tempo verlassen und war hinabgestiegen ins Mittelmaß sentimentaler Erwartungen und bürgerlicher Begehrlichkeiten.
Niklas wusste, dass seiner Idee auf den ersten Blick ein gewisser Widersinn innewohnte. Er suchte eine Frau, die so war wie er. Von messerscharfem Verstand und einer untergeordneten, wenn nicht unterentwickelten Gefühlswelt. Er suchte einen Spiegel, in dem er sich selbst sehen und lieben könnte. Dieser Frau wollte auch er Spiegel sein, in dem sie sich selbst erkennen und lieben könnte. Er wollte die möglichen Gefühlswelten von weitgehend Gefühllosen ausloten. Es schien nicht logisch. Aber Niklas hatte gelernt, dass Gefühle und allen voran die Liebe nichts mit herkömmlicher Logik zu tun hatten. Es gab eben nicht nur die zweiwertige Logik, nicht nur eins und null. Es gab immer eine Gewinnstrategie, die jenseits der Schlichtheit von wahr und falsch existierte. Dialogische Logik. Und Fuzzy Logic – das ideale Instrument, wenn Mensch und Maschine interagierten. Also perfekt auf ihn zugeschnitten. Niklas wollte die Idee noch nicht aufgeben. Natürlich konnte er weiterhin als menschliche Simulation durch die Welt laufen und eine Freundin finden, die dumm genug war, die Täuschung nicht zu bemerken. Doch das war unter seiner Würde. Er suchte die Frau, die sich in ihm spiegelte. Weil sie gleich waren. Das musste die Basis für Glück sein. Das musste die Voraussetzung für wahre Liebe sein.
Allerdings minimierten sich die Chancen mit jedem Versuch. Wenn Sandrine ebenfalls enttäuschte, hatte er nur noch zwei Kandidatinnen auf seiner Liste, und beide waren vom Alter her unpassend. Die eine war viel zu jung, die andere noch älter als Sandrine. Allein schon deswegen erwartete er Sandrines Besuch mit einer für ihn ungewöhnlichen Ungeduld.
Sie kam etwa zehn Minuten zu spät, was Niklas leicht verärgerte. Glaubte sie etwa, er sei der Typ, mit dem eine Frau die üblichen Spielchen spielen sollte? Dennoch kommentierte er ihren ersten Fehltritt nicht, sondern nahm ihr zuvorkommend die leichte Sommerjacke von den Schultern und geleitete sie ins Wohnzimmer. Sandrine trug einen knielangen Bleistiftrock und eine hauchdünnes schwarzes Shirt, das den ebenfalls schwarzen BH durchschimmern ließ. Kein Zweifel, sie hoffte auf Sex.
Als sie im Wohnzimmer die eisgekühlten Austern in einer Silberschale sah, zog sie leicht ihre Mundwinkel nach unten und erklärte Niklas, dass sie Vegetarierin wäre und niemals etwas essen würde, was Augen bekommen könnte. Und schon gar nicht würde sie lebende Tiere in sich hineinschlürfen. Niklas brachte die Austern mit freundlichem Lächeln zurück in die Küche, nahm einige Cracker aus dem Schrank, legte etwas Käse und Trauben dazu und bot ihr innerhalb weniger Minuten einen alternativen Snack mit gekühltem Champagner an. Sandrine wusste es zu schätzen, dass er keine Diskussion über ihre Ernährungsgewohnheiten mit ihr anfing wie viele andere Männer. Sie hielt das für ein Zeichen für Toleranz. Toleranz wiederum hielt sie ein Zeichen von Intelligenz.
Niklas hielt es für ein Zeichen von Desinteresse, wollte aber zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht mit ihr streiten. Außerdem hoffte er, dass Sandrines sensibles Getue nur die Simulation einer empfindsamen Seele war, nicht aber ihr eigentliches Wesen. Schließlich simulierte er auch ständig.
Falls Sandrine jedoch simulierte, dann ohne Wenn und Aber. Sie begann einen ausufernden Vortrag über die Gründe, keine tierischen Produkte zu sich zu nehmen und driftete dabei haltlos zwischen moralphilosophischen und gesundheitlichen Aspekten hin und her.
Niklas begann
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