Puppenspiele
redliche Menschen. Er würde Edmund Schmitt auch den Gürtel nicht vorwerfen. An den seines eigenen Vaters konnte sich Howela noch gut erinnern. Hatte ihm nicht geschadet.
»Aber es wird einem nicht gedankt! Niemals hat sich Niklas bei uns gemeldet und sich entschuldigt für alles, was er uns angetan hat! Wer weiß, was aus ihm geworden ist. Vielleicht sitzt er ja sogar irgendwo im Gefängnis. Mich würde es nicht wundern«, schloss Ede die Betrachtungen ab.
»Das werde ich herausfinden. Sie haben mir sehr geholfen, vielen herzlichen Dank!« Howela erhob sich. Er wollte noch heute einen Termin im St.-Annen-Heim in Essen vereinbaren.
Ruth brachte ihren Gast zur Haustür. »Wenn Sie ihn finden, Herr Rodenberg, sagen Sie ihm bitte, dass wir ihm alles verziehen haben!«
»Ich nicht! Er soll elend verrecken!«, rief Isabel aus dem Wohnzimmer.
Howela fand Isabels Loyalität zu ihrem längst verstorbenen Hamster Herrmann äußerst sympathisch.
28. August 2009:
Straßburg.
Die Mittagspause mit Sandrine war ein voller Erfolg gewesen. Er hatte sich als Besitzer einer kleinen Galerie in Aix-en-Provence ausgegeben, der in Straßburg geeignete Räume für eine Filiale suchte. Sandrine war sofort auf sein kultiviertes Kunstgeschwafel angesprungen. Sie hatten über die Expressionisten geplaudert, und es war schnell offensichtlich geworden, wie sehr Sandrine einen kongenialen Gesprächspartner zu schätzen wusste. Er gab sich interessiert, aber nicht anbiedernd. Für die meisten Männer war es schwierig, den Punkt herauszufinden, an dem ein engagiertes Gespräch in plumpe Anmache mündet. Vor allem bei intelligenten Frauen waren Stil und Fingerspitzengefühl erforderlich. Niklas besaß beides. So hatte er es geschafft, dass sich Sandrine innerhalb ihrer knapp bemessenen Mittagspause von Niklas begehrt, aber nicht bedrängt fühlte. Am gleichen Abend schon hatte er sie ins beste Lokal Straßburgs ausgeführt und ihr seine zweite Zirkusnummer, den sinnlichen Gourmet von Welt, vorgeführt. Auch da war alles glattgelaufen. Daraufhin lud er sie für diesen Freitagabend zu sich nach Hause zu einem kleinen Diner ein. Er hatte ihr den Hintereingang durch das Gartentürchen beschrieben.
In etwa einer Stunde würde sie eintreffen. Niklas hatte alles gut vorbereitet. Drei Sträuße langstieliger Rosen waren im Wohnzimmer verteilt, der Tisch war erlesen gedeckt, der Champagner gekühlt, die Austern frisch, CDs von Ravel und Debussy lagen bereit. Wenn Sandrine ankam, konnte sie eine kultivierte Atmosphäre möglicher Verführung genießen.
Was sie erst einmal nicht zu Gesicht bekommen würde, waren die anderen Vorbereitungen, die Niklas getroffen hatte, falls auch Sandrine eine Enttäuschung sein würde: Betäubungsmittel, meterweise dicke Plastikfolie, OP-Besteck, Chirurgenhandschuhe und die Chemikalien, die er zur Konservierung benötigte. Nur Material für eine Kiste hatte er nicht besorgt. Die Schreinerarbeit wurde ihm langsam lästig. Außerdem hatte er in Straßburg keinen passenden Adressaten gefunden, durch den er einen Teil seiner Botschaft an die anderen hätte senden können. Zumal das eh nur eine humorige Spielerei von ihm gewesen war und im Grunde Perlen vor die Säue. Dieser angebliche Wunderkommissar aus Hamburg, den sie auf ihn angesetzt hatten, wurde wohl völlig überschätzt. Nichts zu sehen oder zu hören von ihm. Auch nicht die winzigste, kreative Idee in der Presse. Für wen also sollte er die Kisten bauen und seinen filigranen Sarkasmus mit ausgesuchten Adressen unter Beweis stellen? Niklas grinste. Clarissa würde er auf jeden Fall weiter mit kleinen Aufmerksamkeiten bedenken, sie war sicher ein dankbares Publikum. Aber sonst? Er würde sich diesmal etwas Einfacheres einfallen lassen, etwas Spontanes. Er würde improvisieren, wenn es nötig war. Dieser Gedanke verschaffte ihm einen zusätzlichen Reiz. Er hatte nicht alles durchgeplant, er erlaubte sich Nachlässigkeiten, und das bedeutete Gefahr. Niklas war neugierig, ob die Möglichkeit von Gefahr ihn irgendwie berühren würde. Falls es mit Sandrine überhaupt so weit käme. Niklas hoffte sehr, dass seine speziellen Utensilien nicht gebraucht wurden. Aber er verspürte auch einen Unwillen, möglicherweise wieder enttäuscht zu werden. Mit Sarah hatte er sich solche Mühe gegeben. Aber nun gut, da war er auf dem Holzweg gewesen. Sarah war nett, aber dumm. Sie war eine von den anderen. Bei Mira und Catrin jedoch hatten die Chancen gut gestanden, die
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