Puppenspiele
musste diesem unwürdigen Wesen eine Lektion in Selbsterkenntnis erteilen. Aber diesmal würde er improvisieren.
Denn Niklas spürte etwas. Er empfand eine Enttäuschung, die so groß war, dass sie fast in Wut umschlug. Wie lange hatte er keine Wut mehr empfunden. Wenn er Sandrine bei Bewusstsein hielt, würden ihre Dummheit und ihre Verweigerung ihn vielleicht weiter reizen. Er würde vielleicht etwas anderes empfinden können als nur intellektuelle Befriedigung über sein eigenes, konsequentes Vorgehen. Er legte das Badezimmer mit der dicken Plastikfolie aus. An den Wänden des kleinen Raums und dem Rand der Badewanne schlug er sie an die zwanzig Zentimeter hoch. Der menschliche Körper fasst etwa sechs Liter Blut. Wenn er Sandrine das Herz bei lebendigem Leibe herausschneiden wollte, würde eine Menge davon auf die Plane gepumpt werden.
Die Plane schien Sandrine in Panik zu versetzen. Sie begann mit den gefesselten Füßen in der Wanne zu strampeln, was dumpfe, aber laute Geräusche verursachte. Niklas gab ihr mit einer unter dem Waschbecken liegenden Rohrzange einen leichten und gezielten Schlag auf den Kopf, um für die wenigen Minuten seiner Vorbereitung Ruhe zu haben.
Als Sandrine auf der Plastikplane wieder zu sich kam, kniete Niklas rittlings auf ihrer Körpermitte und sah sie an. »Du hast zwei Möglichkeiten: Du tust, was ich dir sage. Oder ich tue es. Ich werde deine Fesseln lösen, wenn du mir durch ein Nicken sagst, dass du gehorchen willst. Aber sei versichert, sobald du schreist oder eine unkontrollierte Bewegung machst, wird dieses Messer dich durchbohren.« Niklas hielt ihr ein großes Fleischmesser vor die Augen. Er begriff nicht genau wieso, aber ein Küchenmesser wirkte auf die Opfer weitaus Furcht einflößender als die Skalpelle, die auf dem Waschbecken bereitlagen. Obwohl die Skalpelle viel effektiver waren.
Sandrine nickte. Sie nickte und nickte, wobei ihr ganzer Körper zitterte. Niklas befreite sie von dem Knebel und ihren Fesseln und befahl ihr, aufzustehen. Er musste ihr helfen, so sehr schlotterten ihr die Knie. Als sie stumm weinend auf der Plane stand, während er bequem auf dem Toilettendeckel Platz genommen hatte, drückte er ihr Rasierzeug in die Hand. »Alles muss weg«, sagte er. »Bis auf das letzte Härchen, wo auch immer es sein mag.«
Sandrine brach schluchzend zusammen. Vermutlich las sie Zeitung. Sie nässte sich ein. Auch dafür war die Plane gut. Niklas gab ihr eine Minute, bis er die unmissverständliche Aufforderung wiederholte. Sandrine nahm den Rasierer und begann an ihren Beinen. Vertrautes Terrain, das sie schon rasiert hatte, um ihrem anstehenden Rendezvous gerecht zu werden. Dennoch war sie so zittrig, dass sie sich mehrfach schnitt und schon vor der Zeit zu bluten begann.
Niklas sah genervt, dass es an der Zeit war, selbst Hand anzulegen. Er zog einen Hocker heran und schnitt Sandrine die Haare mit einer Schere bis auf einen halben Zentimeter herunter. Sie wimmerte und jammerte, aber wehrte sich nicht. Den Rest erledigte er mit der Maschine. Die Augenbrauen nahm er ihr mit einer Rasierklinge. Seine Hand war ganz ruhig. Als er ihr die Wimpern ausriss, zuckte sie bei jeder einzelnen Wimper mit dem ganzen Körper. Aber sie schrie nicht. Sandrine schien sich in eine andere Welt gegaukelt zu haben. Vielleicht in die Sommerferien im Schwarzwald mit ihrem viel zu früh verstorbenen Vater. Als Niklas sie nach dem ersten Schritt der Prozedur aufforderte, in den Badezimmerspiegel zu sehen, musste er ihr mehrfach ins Gesicht schlagen, bis sie wieder bei ihm war und gehorchte. Er fragte sie, ob sie es sah. Die Metamorphose zur Wahrheit. Das, was jenseits ihres gewöhnlichen Menschseins war. Was darüber hinausging.
Sie stammelte: »Jajaja! Du hast recht, ich sehe es ganz genau, du hast recht!«
Er wusste, dass sie log. Sie sah es immer noch nicht, oder sie wollte es nicht akzeptieren. Also befahl er ihr, die Scham komplett zu rasieren, die bislang nur in der Bikinizone von der Natur befreit war. Als sie endlich vollkommen nackt war, befahl er ihr, sich auf den Rücken zu legen. Sie tat es. Er schnürte ihr wieder Hände und Füße zusammen. Sie wehrte sich nicht. Vielleicht las sie doch keine Zeitung. Vielleicht aber hatte sie sich auch schon aufgegeben. Jedenfalls kam aus ihrer Kehle nur ein leises Gurgeln, als Niklas ihr den Slip zurück in den Mund stopfte und das Skalpell ansetzte.
Berlin.
Kurz nach neun Uhr abends verließ Christian das Berliner
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