Puppenspiele
Eindringling befand sich in der Küche, die vom Wohnzimmer abging und nach vorne zur Straße gelegen war. Christian hörte ein Zischen, kurz darauf roch er den Duft von gebratenem Speck.
»Anna!« Erst jetzt sah Christian im Flur neben der Haustür Annas Gepäck stehen.
Anna stand am Herd. Sie trug eine zu kurze, verwaschene Jeans, ein knappes, weißes Feinripp-Unterhemd und sah einfach hinreißend aus. Lächelnd drehte sie sich zu ihm um.
»Hey! Ausgepennt?«
»Was machst du hier?« Christian war völlig verdattert.
Anna trat mit dem Kochlöffel in der Hand zu ihm und küsste ihn. »Frühstück«, sagte sie.
»Das ist ja großartig!«
»Was? Dass ich dir Frühstück mache?«
Christian legte die Pistole ab und zog Anna fest an sich. »Dass du da bist, Quatschkopf!«
Anna machte sich lachend von ihm los, ging zurück zum Herd und verteilte die Eier auf zwei Teller.
Christian deckte den Tisch. »Wieso bist du wieder hier? Haben sie dich rausgeworfen beim FBI? Wegen schlechter Führung?«
»Na ja, ich habe in der ersten Woche schon alle Agents flachgelegt. Jetzt war mir langweilig.«
Christian mochte Annas Humor – meistens. Jetzt gerade nicht. Als Anna seinen wenig amüsierten Blick sah, wurde sie ernst. Sie setzte sich zu ihm an den Tisch.
»Mein Hauptdozent hat sich letztes Wochenende beim Paragliding in Colorado beide Beine gebrochen. Seine Seminare fallen ab sofort flach. Außerdem … Dieser Aufenthalt beim FBI … Das war prima. Anstrengend zwar, aber spannend. Die Kollegen waren nett, die Ausbilder auch … Aber es war nicht mein Leben. Es fühlte sich falsch an, dort zu sein. Deswegen bin ich wieder hier. Das fühlt sich richtig an.«
Christian grinste glücklich. »Musst du die Dinge immer so schrecklich verkomplizieren? Sag doch einfach, dass du Sehnsucht nach mir gehabt hast.«
»Musst du die Dinge immer so schrecklich vereinfachen? Aber okay: Es war reine Sehnsucht nach dir, die mich wieder nach Hause getrieben hat.«
Sie ließen alles stehen und liegen, gingen ins Bett und liebten sich. Danach sah Christian Anna beim Einschlafen zu. Obwohl in Hamburg heller Tag war, war ihre innere Uhr aufgrund der Zeitverschiebung noch auf späte Nacht eingestellt.
Er hatte eigentlich ins Büro fahren wollen, doch nun telefonierte er kurz mit Daniel und nahm sich für den Tag frei. Es gab keine Neuigkeiten, die seine sofortige Anwesenheit in Berlin, Straßburg oder sonst wo erforderten. Also brachte er Annas Gepäck nach oben, räumte den Frühstückstisch ab und ging einkaufen. Er wollte Anna am Abend bekochen. Als er vom Einkaufen nach Hause kam, verstaute er die Lebensmittel und legte sich in die Badewanne. Sorgfältig rasiert und seit Tagen endlich auch in frischen Klamotten, setzte er sich ins Wohnzimmer und nahm sich bei einem Kaffee seine Notizen noch einmal vor.
Kaum hatte er begonnen, kam Anna von oben heruntergeschlurft. Sie trug seinen Pyjama, rieb sich noch etwas verschlafen die Augen, setzte sich neben ihn aufs Sofa und trank seinen Kaffee. »Der Jetlag macht mich fertig. Wie lange habe ich jetzt gepennt? Drei Stunden?«
Christian stand auf und holte sich einen neuen Kaffee. Als er aus der Küche zurückkam, war Anna über seine Notizzettel gebeugt.
»Notizen zu unserem aktuellen Fall. Es geht um …«
Anna unterbrach ihn: »Ich weiß Bescheid. Daniel hat mir die ganze Zeit euer gesammeltes Material über den ›Herzensbrecher‹ zugemailt.«
»Wieso das denn?«
»Ich wollte wissen, was dich beschäftigt. Außerdem habe ich es als zusätzliche Hausaufgabe beim Profiling betrachtet.«
»Deine Ausbildung dort war wohl nicht stressig genug?«
»Doch schon. Aber wie gesagt: Es war halt nicht meins. Was soll’s. Pete kann mir das restliche FBI-Lehrmaterial geben, wenn er zurück ist. Dann werde ich nachsitzen.«
»Wie ist es mit Pete gelaufen? Hat er sich ein wenig um dich gekümmert?« Christian versuchte seine Frage möglichst beiläufig zu stellen.
»Von wegen! Gleich am ersten Abend hat er eine der Ausbilderinnen angegraben. So ein durchtrainiertes Frischwärtsmodell! Mit der hat er dann jede freie Minute verbracht … Ich mache mir ein Brot. Willst du auch eins?«
Christian verneinte und beugte sich über seine Arbeit. Er fühlte sich so entspannt wie schon lange nicht mehr. Anna werkelte in der Küche herum, ihr Duft hing im Raum, und er hatte frischen Kaffee in der Hand. Er überflog den Zettel mit den Angaben über seine Zielperson: den Mörder ohne eigene Identität. Und
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