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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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entlanghangelte.
    Sybille nickte. Sie stand da in einer zumindest annähernd aufrechten Haltung, als hätte das kleine Aufbegehren gegen die Grande Dame sie von einer ungeheuren Last befreit. Martha Weininger starrte ihre Tochter fassungslos an und rutschte unbehaglich ein wenig tiefer in ihren Sessel. Die Kräfte waren neu verteilt, die Rollen getauscht.

Haltern am See.
    Jenny war so selbstverständlich wie nach ihrem alltäglichen Schulbesuch wieder in das Haus ihrer Eltern spaziert. Fassungslos stürmte Jessica auf ihre kleine Schwester zu, hob sie jubelnd hoch und wirbelte sie herum, dass einem schon vom Zuschauen schwindlig werden konnte. Barbara Jacob schlief aufgrund der Beruhigungsmittel tief und fest und hörte nichts von Jessicas Freudengeheul. Ihr Mann weckte sie auf. Sie rannte die Treppe hinunter ins Wohnzimmer, riss Jenny aus Jessicas Armen und hielt sie fest, als wollte sie sie nie wieder loslassen. Nach einer Minute beschwerte sich Jenny über die mütterliche Umklammerung und verlangte einen heißen Kakao. Vor Erleichterung über die unversehrte Natürlichkeit Jennys erlitt Barbara Jacob einen mittleren Nervenzusammenbruch. Der Hausarzt musste kommen und ihr eine sedierende Spritze geben.
    Jenny war ein wenig schmutzig, schien jedoch nicht verletzt und erwies sich überraschend munter. Weyrich wollte sie sofort ins Krankenhaus bringen und untersuchen lassen. Er hatte Angst, etwas falsch zu machen, etwas zu versäumen. Ihm fehlte die Erfahrung in Entführungsfällen mit Kindern – und er war froh darüber. Christian beruhigte ihn und Jennys Mutter. Frau Jacob sollte Jenny erst einmal umziehen, damit ihre Kleidung der Spurensicherung übergeben werden konnte. Dann würde Anna mit der Kleinen sprechen, um herauszufinden, ob sie möglicherweise sexuell missbraucht worden war und unter einem posttraumatischen Schock stand, der medikamentös behandelt werden musste. Nach diesem Gespräch konnte über die Notwendigkeit eines Krankenhausaufenthalts entschieden werden. Zuerst einmal sollte sich die Aufregung legen und Jenny ihren Kakao bekommen.
    Unterdessen sprachen Christian und Weyrich in der Küche mit dem Taxifahrer. Er gab an, von seiner Zentrale auf eine Landstraße geschickt worden zu sein zu einem Treffpunkt, der etwa dreißig Kilometer von Haltern am See entfernt lag. Dort hatte ein junger Mann mit Jenny an der Hand auf ihn gewartet. Den Taxifahrer, der wie jeder andere in der Umgebung über die Entführung Bescheid wusste, hatte sofort das vage Gefühl beschlichen, es könnte sich bei dem kleinen Mädchen um Jenny handeln. Doch noch bevor er seine Zentrale informieren konnte, stand der Mann neben dem Taxi und öffnete die Tür auf der Fahrerseite.
    »Seine rechte Hand steckte in seiner Jackentasche. Ich habe hingesehen und mich gefragt, ob er da eine Waffe hat. Er hat mich angegrinst und genickt, obwohl ich gar nichts gesagt habe. Dann hat er mich nach meinem Namen gefragt und wollte meinen Personalausweis sehen, um meine Angaben zu überprüfen. Danach hat er mich gefragt, ob ich verheiratet bin. Ich habe Ja gesagt. Dann sagte er zu mir: ›Rufen Sie nicht die Polizei. Rufen Sie nicht die Zentrale. Rufen Sie niemanden. Fahren Sie Jenny nach Hause. Fahren Sie langsam. Falls Sie die Polizei von unterwegs aus benachrichtigen, wird Ihre Frau sterben. Das verspreche ich Ihnen.‹ Ich hab’s ihm geglaubt. Er wirkte nicht wie ein Typ, der blufft. Er war total ruhig und entspannt. Außerdem hatte er meine Adresse vom Perso. Er ist dann zu Fuß in einem Waldweg verschwunden. Also bin ich losgefahren und hab erst mal meine Frau angerufen und ihr gesagt, dass sie sofort nach nebenan ins Haus von ihrem Bruder gehen soll. Dann bin ich hierhergefahren. Jenny hat die ganze Fahrt ein Lied gesummt und mit dem Kätzchen gespielt.«
    Weyrich legte dem Taxifahrer sowohl die Porträtzeichnung von Elisabeth Stamminger als auch das nach Jessicas Angaben gezeichnete Phantombild vor. Der Taxifahrer identifizierte den Mann, ohne zu zögern. Es war zwar schon fast dunkel auf der Landstraße gewesen, aber als der Entführer die Wagentür geöffnet hatte, war die Innenbeleuchtung angegangen. Soweit Sonnenbrille und Mütze es zuließen, hatte der Taxifahrer ihn deutlich sehen können.
    Weyrich beschlagnahmte das Taxi für die Spurensicherung. Auf der Karte, mit der er den Einsatz der Suchtrupps koordinierte, ließ er sich den Punkt zeigen, an dem der Taxifahrer Jenny übernommen hatte. Er lag innerhalb der errichteten

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