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Puppentod

Titel: Puppentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Winter
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sich kuschelige Bademäntel angezogen und waren nach unten gegangen, um die Torte anzuschneiden. Michael hatte Tee aufgegossen und ließ ihn in einer weißen Porzellankanne kurz ziehen, während Lisa es sich auf einem der Sofas gemütlich machte.
    »Kommst du oft hierher?«, wollte sie wissen.
    »Heute nicht mehr«, antwortete er, »aber früher, als Kind, war ich oft hier.« Er erzählte ihr von seinen Kindheitserinnerungen,
von dem alten Bauernhof, den Tieren, der Käserei und davon, wie sehr er es geliebt hatte, im Sommer wochenlang hier oben in der freien Natur zu sein. Dann sagte er wehmütig: »Den Bergbauernhof gibt es ja nun leider nicht mehr.«
    »Warum habt ihr den Hof nicht erhalten?«, fragte Lisa.
    Michael lachte kurz auf. »Weil ein Bergbauernhof nicht repräsentativ genug ist, das findet zumindest mein Vater. Seitdem er die Firma groß gemacht und viel Geld verdient hat, will er der Welt ständig zeigen, was er sich leisten kann.«
    »Was habt ihr denn für eine Firma?«, fragte sie weiter.
    Daraufhin erzählte er von MediCare, und Lisa hörte aufmerksam zu. Sie wollte alles erfahren über die einstige Westphal-Pharmazeutika, wann sein Vater daraus MediCare gemacht hatte, auf welchen Märkten sie heute tätig waren und welche Aufgaben Michael im Unternehmen hatte. Er freute sich über ihr Interesse an der Firma und seiner Familie, doch es war ihr Geburtstag, und es wurde Zeit, die Torte anzuschneiden.
    »Dazu brauchen wir ein Messer«, sagte Lisa.
    Er stand auf, holte eines aus der Küche und brachte auch Streichhölzer mit, um die Kerzen auf der Torte anzuzünden.
    »Die musst du jetzt auspusten und dir etwas dabei wünschen«, sagte er.
    »Und das geht dann in Erfüllung?«
    »Ganz sicher!« Er nickte. »Nur die Wartezeit variiert. Die kleinen Wünsche werden sofort erfüllt …«

    »Und was ist mit den großen?«, fiel sie ihm ins Wort und sah ihn erwartungsvoll an.
    Er tat so, als würde er überlegen, und sagte nach einer Weile: »Manchmal werden die auch recht schnell erfüllt, vielleicht sogar schneller, als man glaubt.«
    »Also gut.« Sie holte tief Luft und pustete so lange, bis auch die letzte Kerze erloschen war. Dann schnitt sie die Torte in einzelne Stücke und legte jedem eines davon auf den Teller. Dabei stellte sie fest, dass dies die wunderbarste Geburtstagstorte ihres Lebens sei.
    Das machte ihn stutzig, weil die Torte zwar hübsch, aber eigentlich nichts Besonderes war. Er dachte an die Torten, die seine Mutter für ihn gebacken hatte, wenn Familie und Freunde zu seinem Geburtstag kamen. Hatte Lisa kein schönes Familienleben gehabt? Keine behütete Kindheit, so wie er sie erlebt hatte? Sie erzählte nichts. Ihm fiel nur auf, dass niemand bei ihr anrief, obwohl es ihr Geburtstag war und sie ihr Handy dabeihatte.
    Um wenigstens ein bisschen was zu erfahren, sagte er: »Jetzt habe ich so viel von mir geredet. Erzähl mir ein wenig von dir und von deiner Familie.«
    »Da gibt es nichts zu erzählen«, erwiderte sie schnell in einem abweisenden, kühlen Ton. »Meine Eltern sind tot.«
    »Oh«, sagte er bestürzt und fragte behutsam: »Wie kamen sie ums Leben?«
    »Bei einem Autounfall.«
    »Wie lange ist das her?«
    »Zehn Jahre.«
    »Hast du noch Geschwister?«

    »Nein.«
    »Wer hat sich danach um dich gekümmert?«
    »Lass uns über etwas anderes reden«, sagte sie.
    Ihre Halsschlagader pochte so stark, dass er es sehen konnte. Er durfte sie nicht weiter mit seinen Fragen quälen, auch wenn er gern mehr erfahren hätte. Sein Großvater, der ein weiser Mann gewesen war, pflegte immer zu sagen: Die Vergangenheit eines Menschen ist das Gefäß, das ihn zu dem geformt hat, was er ist. Für Lisa aber war es eindeutig zu früh, ihm ihre Vergangenheit anzuvertrauen.
    Er stand auf, legte ein paar Holzscheite in den Ofen und ging zum Fenster. Draußen war es dunkel geworden, der Wind pfiff ums Haus, und es hatte angefangen zu schneien.
    »Ich glaube, Sepp hatte recht«, sagte er. »Es wird einen Schneesturm geben. Komm her, und schau dir das Chaos da draußen an.«
    Sie kam zu ihm. Er legte seinen Arm um ihre Schultern, und im Licht einer Außenlaterne beobachteten sie, wie der Wind den Schnee vor sich herpeitschte, während im Ofen das Feuer knisterte und eine kuschelige Wärme verbreitete.
    »Ich fürchte, wir kommen heute Abend hier nicht mehr weg«, sagte Michael.
    Skeptisch sah sie ihn an. »Gib zu, dass du den Sturm bestellt hast.«
    Er lächelte verschmitzt. »Du hast mich ertappt!

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