Puppentod
und auch die Mailbox sprang nicht an.
»Hat sie gesagt, wann sie zurückkommt?«
»Nein. Ist etwas passiert?«, fragte Hilde besorgt.
»Nein, nein … alles in Ordnung«, rief Michael zerstreut. Dann lief er nach oben, schnappte sich Ehe- und Geburtsurkunden und fuhr damit unverzüglich zum Standesamt.
Dort schilderte er einer netten Standesbeamtin aufgeregt sein Anliegen und berichtete, dass er in der Karibik zwar geheiratet, die Eheurkunde aber nicht bei der deutschen Botschaft abgegeben hatte.
»Hat man Ihnen in der Botschaft nicht gesagt, dass Sie die Eheurkunde legalisieren lassen müssen?«, fragte die Frau leicht verständnislos.
»Aber wir waren gar nicht in der Botschaft«, entgegnete Michael.
»Und wo haben Sie das Ehefähigkeitszeugnis abgegeben?«
»Beim Pfarrer.«
Die Standesbeamtin kräuselte die Stirn. »Ich glaube, Sie bringen jetzt etwas durcheinander, Herr Westphal. Das Ehefähigkeitszeugnis ist das, was Sie hier bei uns auf dem Standesamt bekommen haben. Und dieses Dokument müssen Sie in der Dominikanischen Republik vor
der Hochzeit auf der deutschen Botschaft abgeben. Dann bekommen Sie eine offizielle Bescheinigung, die besagt, dass keine Ehehindernisse vorliegen. Ohne die können Sie dort gar nicht heiraten.«
»Aber genau das stand in dem Ehefähigkeitszeugnis«, widersprach Michael.
»Ja.« Leicht genervt atmete die Standesbeamtin tief durch. »Aber Sie als Deutscher brauchen eine offizielle Bescheinigung des deutschen Konsulats, wenn Sie in der Dominikanischen Republik heiraten wollen. Und die bekommen Sie nur, wenn Sie ein Ehefähigkeitszeugnis vorlegen, das ein deutsches Standesamt ausgestellt hat.«
Michael hatte das untrügliche Gefühl, dass er und die Frau aneinander vorbeiredeten. Schließlich war das Papier ordnungsgemäß vom deutschen Konsulat abgestempelt gewesen. Daran erinnerte er sich genau. Also war Lisa in der Botschaft gewesen, sonst wäre sie nicht an dieses Papier gekommen. Er war vollkommen verwirrt.
»Und was machen wir nun?«, wollte er wissen.
»Wir werden schon eine Lösung finden.« Die Standesbeamtin lächelte freundlich. »Ich werde Ihnen jetzt ein Formular ausdrucken, das Sie gemeinsam mit Ihrer Frau ausfüllen, und danach kommen Sie beide mit Ihren Ausweispapieren wieder zu mir. Haben Sie Ehe- und Geburtsurkunden dabei?«
Er schob ihr die Papiere über den Tisch, und sie gab die Daten in den Computer ein, bis sie plötzlich stutzig wurde.
»Haben Sie tatsächlich Lisa Marie Elbert geheiratet?«, fragte sie erstaunt.
»Ja, das habe ich. Was stört Sie daran?«, erwiderte er beunruhigt.
»Daran stört mich«, sagte die Standesbeamtin irritiert, »dass Lisa Marie Elbert laut unseren Akten als vermisst gilt.«
»Vermisst?« Michael sah die Frau ungläubig an.
Sie nickte und fügte hinzu: »Seit zehn Jahren schon. Vor ein paar Monaten hat die Mutter des Mädchens sogar ein Verfahren angestrebt, sie für tot erklären zu lassen. Sie ging wohl nicht davon aus, dass ihre Tochter noch lebt. Allerdings ist die Mutter inzwischen verstorben, weshalb das Verfahren ausgesetzt wurde.«
Lisas Mutter? Aber das war unmöglich!
»Es muss sich um eine Verwechslung handeln«, sagte Michael.
Doch die Standesbeamtin schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt nicht, Herr Westphal. Ich kann mich sogar an den Fall erinnern. Es ist hier am Starnberger See passiert, in der Umgebung des Possenhofener Waldes, und ging damals durch alle Zeitungen. Das Mädchen verschwand am Abend seines zehnten Geburtstages und ist nie mehr aufgetaucht. Doch es wurde auch nie eine Leiche gefunden. Schrecklich, nicht wahr? Die Mutter war vollkommen verzweifelt. Deshalb wundert es mich sehr, dass sie ihre Tochter für tot erklären lassen wollte.«
»Aber es muss sich um eine Verwechslung handeln«, wiederholte Michael eindringlich. »Schließlich habe ich Lisa vor ein paar Tagen geheiratet.«
»Ja, das ist wirklich sehr eigenartig«, gab die Standesbeamtin zu. »Denn laut Aktenlage gilt Ihre Frau wie gesagt
seit ihrem zehnten Lebensjahr als spurlos verschwunden. Das heißt, auf sie wurde nie ein Ausweis, ein Reisepass oder ein Führerschein ausgestellt. Nur, wenn das so wäre, hätten Sie sie ja nicht heiraten können. Irgendetwas stimmt also tatsächlich nicht.« Sie gab ihm das ausgedruckte Formular sowie die Ehe- und Geburtsurkunden zurück und fügte hinzu: »Wir werden das klären. Und für die nicht legalisierte Eheurkunde finden wir auch eine Lösung.«
Doch die Urkunde war im
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