Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Puppentod

Titel: Puppentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Winter
Vom Netzwerk:
Morgenmantel, und ihm stand bei Yakkos Anblick das blanke Entsetzen im Gesicht. So bestürzt und fassungslos hatte Michael ihn noch nie erlebt. Und er hatte ihn noch nie weinen gesehen. Jetzt allerdings, als Rudolf schockiert auf Knien ins Gras sank und seinem Hund die Hand auf den Hals legte, standen Tränen in seinen Augen.
    »Er ist tot«, sagte er leise.

    »Vergiftet?«, rief Hilde entsetzt.
    Der Tierarzt nickte. »Allerdings kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, welches Gift verwendet wurde. Dazu müsste ich ihn mitnehmen …«
    »Kommt nicht infrage«, fiel Rudolf ihm barsch ins Wort. Er trug noch immer seinen dunkelblauen Morgenmantel und hatte Reste von Rasierschaum im Gesicht.
    Der Tierarzt zuckte mit den Schultern. »Ohne weitere Untersuchung kann ich Ihnen kaum etwas sagen. Nur so viel, dass es sich um ein starkes und wahrscheinlich schnell wirkendes Gift handelt und dass es - vermutlich - vor mindestens drei, höchstens fünf Stunden verabreicht wurde.«
    Erschüttert sah Rudolf den Tierarzt an. Eine tiefe senkrechte Falte grub sich zwischen seine Augenbrauen.
    »Wollen Sie mir erklären, dass Yakko nicht erst heute Morgen, sondern in der Nacht vergiftet wurde?«
    »Davon dürfen Sie ausgehen«, erwiderte der Tierarzt. »Der Hund ist seit mehreren Stunden tot. Da bin ich ganz sicher.«
    »Was hat das zu bedeuten?«, kreischte Hilde mit weit aufgerissenen Augen. Doch sie überließ es Rudolf auszusprechen, was sie kaum zu denken wagte.
    »Das bedeutet, dass heute Nacht jemand auf unserem Grundstück war«, sagte er. »Und nicht nur auf dem Grundstück, sondern auch in unserem Haus.«
    Hilde erstarrte zu Stein. Auch Michael lief ein kalter Schauer über den Rücken.
    Diese Vorstellung war entsetzlich. Aber sein Vater hatte recht. Der Hund war heute Morgen nicht im Wohnzimmer
gewesen, als Hilde ihn rauslassen wollte. Deshalb hatte sie ihn gesucht und tot im Garten gefunden. Nur, wie war er dorthin gekommen? Schließlich konnte er sich die Terrassentür nicht selbst öffnen. Jemand anders hatte es getan. Doch genau das sollte in dem hochgesicherten Haus unmöglich sein. Hätte jemand mitten in der Nacht die Terrassentür von außen auch nur berührt, wären normalerweise die Alarmanlagen angesprungen, und die Kameras hätten blitzschnell Bilder zum Sicherheitsdienst in die Firma übertragen. Warum war von alledem nichts geschehen?
    »Ruf Harry an«, sagte Rudolf zu Michael.
    Dann verabschiedete er sich wortkarg von dem Tierarzt und marschierte schnurstracks auf die Villa zu. In dieser Nacht hatte sein komplettes Überwachungssystem versagt. Deshalb war sein Hund gestorben. Das konnte er so nicht stehen lassen.

    Harry und seine Leute trafen ein, als Michael gerade die Villa verlassen wollte, um ins Büro zu fahren.
    »Mein Vater erwartet Sie im Wohnzimmer«, sagte er, während er hastig seine Jacke anzog und den Autoschlüssel vom Sideboard nahm. Dabei bemerkte er, dass auf dem Sideboard eine Puppe saß. Eine Puppe in einem rosa Kleid, mit blonden Zöpfen und großen, blauen Kulleraugen. Woher kam diese Puppe?
    Wer weiß, dachte er und rief nach Lisa, um ihr einen Abschiedskuss zu geben. Doch er bekam keine Antwort. Wo steckte sie nur?

    Er rief ein zweites Mal, und als es wieder keine Reaktion gab, beschloss er zu fahren. Er hatte es eilig, denn sein Vater würde heute nicht ins Büro kommen. Deshalb war er für das morgendliche Meeting verantwortlich und auch entsprechend aufgeregt. Er warf noch einen kurzen Blick in den Spiegel und rückte seine Krawatte zurecht.
    Wem gehörte die Puppe? Er hatte sie noch nie zuvor gesehen. Eigenartig, dachte er, nahm seinen Aktenkoffer und ging.

    Nachdem das Meeting vorbei war und auch die zwei Termine, die er anstelle seines Vaters wahrgenommen hatte, beschloss Michael, zu Hause anzurufen. Diese Geschichte ließ ihm einfach keine Ruhe. Dass jemand vom See aus auf das Grundstück gelangt war, konnte er noch nachvollziehen. Dass aber jemand unbemerkt in die Villa eingedrungen sein sollte, war ihm unbegreiflich.
    Er nahm einen großen Schluck Kaffee und griff zum Telefon, das im selben Moment zu klingeln begann. Die Nummer seines Freundes Erik erschien im Display. Er seufzte leicht auf - das kam ihm jetzt überhaupt nicht gelegen. Deshalb zögerte er, den Anruf anzunehmen, tat es dann aber doch.
    »Hey, alter Freund«, dröhnte es in sein Ohr. »Dass ich dich mal an die Strippe kriege! Du bist ja schwieriger zu erreichen als der Papst. Wo hast du bloß

Weitere Kostenlose Bücher