Puppentod
sie. »Sie ist sofort in seine Wohnung gefahren, weil sie dachte, dass er vielleicht ohnmächtig geworden sei. Aber er war nicht da, und in der Wohnung war alles in Ordnung. Bis auf das Bett!«
»Das Bett?«
»Ja. Das war unbenutzt, und das fand Frau Schuster merkwürdig, weil ihr Sohn keine Freundin hat und normalerweise nicht auswärts übernachtet. Aber immerhin hat er ein Handy, und sie hat mir seine Nummer gegeben. Ich habe schon versucht, ihn zu erreichen. Leider geht nur die Mailbox an, aber ich habe eine Nachricht hinterlassen. Hoffentlich hatte der arme Herr Schuster keinen Unfall. Ob ich mal bei der Polizei anrufe?«
»Das ist eine gute Idee«, sagte Michael, obwohl er an einen Unfall nicht glauben wollte.
Frau Meierhöfer nickte eifrig. Anstatt nun aber, wie es ihrer Art entsprach, sofort der Tür entgegenzustreben, trat sie näher an seinen Schreibtisch heran und sagte leise mit verschwörerischer Miene: »Die Personalakte von Herrn Berger ist übrigens nicht mehr da. Ich habe
alles danach abgesucht. Sie ist weg. Wir heben die Akten immer sehr lange auf, gerade die von leitenden Angestellten. Und Sie werden es nicht glauben, aus dieser Zeit sind auch noch alle vorhanden. Nur diese eine nicht. Aber ich habe ein bisschen nachgedacht, und mir ist Folgendes eingefallen: Dieser Herr Berger war nicht sehr lange bei uns, vielleicht ein oder zwei Jahre. Er war ein sehr zurückhaltender Mensch, galt aber als zuverlässig und korrekt. Deshalb kam seine Kündigung für uns alle überraschend. Privat weiß ich nicht viel von ihm, nur, dass er eine Frau hatte und eine kleine Tochter. Die war gerade geboren worden, als er bei uns anfing. Ob die Frau allerdings Ilona hieß, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber dass die Tochter blind war, daran erinnere ich mich genau.«
Martin Schusters plötzliches Verschwinden und seine nächtliche E-Mail ließen Michael keine Ruhe. Am späten Nachmittag beschloss er, einen Blick in Herrn Schusters Computer zu werfen, und ging hinunter ins Labor.
Wie erwartet waren die meisten Mitarbeiter um diese Zeit bereits nach Hause gegangen, bis auf eine junge Laborantin namens Monika Lechleitner. Sie war gerade dabei, sich ihre Jacke anzuziehen.
Michael wusste, dass Martin Schuster auf diese Monika heimlich ein Auge geworfen hatte, und jetzt, da er sie zum ersten Mal ohne ihre Laborkleidung sah, war ihm auch klar, warum. Blonde Löwenmähne, lange Beine, Minirock und rot angemalte Lippen - ein Typ Frau, der Männerherzen höherschlagen ließ.
»Haben Sie inzwischen was von Martin Schuster gehört?«, fragte sie.
»Leider nicht«, antwortete Michael, während er den Computer einschaltete und das Passwort eingab. Plötzlich war Monika Lechleitner dicht hinter ihm und zwitscherte: »Darf ich mal …« Sie zeigte auf das Computerschränkchen, vor dem er stand. Eine Entschuldigung murmelnd, trat er einen Schritt beiseite, woraufhin sie sich tief herabbeugte, um die unterste Schublade zu öffnen. Dabei rutschte ihr der Rock über den Po, und der tiefe Ausschnitt ihres Pullis ließ einen ungehinderten Blick auf ihren imposanten Busen zu.
Michael war unsicher, wo er zuerst hinschauen sollte. Vor lauter Busen und Po wäre ihm fast entgangen, was Monika Lechleitner in die Schublade legen wollte.
»Was haben Sie da?«, fragte er. Normalerweise war er nicht so neugierig, aber im Augenblick fand er alles wichtig, was mit Martin Schuster in Zusammenhang stand.
Sie zeigte ihm eine CD. »Nabucco«, sagte sie naserümpfend, »die italienische Gesamtausgabe. Das hört unser Martin in der Mittagspause. Angeblich entspannt ihn das, so etwas soll es ja geben. Ich kann diesem Gedudel zwar nichts abgewinnen, aber jeder hat eben seinen Geschmack. Sie lag heute Morgen bei mir am Platz, deshalb wollte ich sie zurückbringen. Damit er sie nicht sucht.« Sie legte die CD in das Computerschränkchen, richtete sich wieder auf und schob ihren Rock zurecht. Dann wünschte sie ihm einen schönen Abend und verließ mit wippenden Hüften das Labor.
Nur ein paar Minuten später beobachtete Michael durchs Fenster, wie sie in einen schwarzen Porsche einstieg, der kurz zuvor vor der Firma angehalten hatte. Kaum vorstellbar, dass der schüchterne Martin Schuster bei dieser Frau landen konnte. Aber traurig musste er deswegen nicht sein.
Nun, da Michael allein im Labor war, setzte er sich vor den Computer und versuchte herauszufinden, welche Dateien Martin Schuster zuletzt aufgerufen hatte. Natürlich die Testreihen von
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