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Puppentod

Titel: Puppentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Winter
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er.
    Frau Meierhöfer schluckte. »Soll das etwa heißen, dass jemand von meinem Stick, der in meinem Büro im Tresor lag, Daten gelöscht hat?«
    »So sieht es aus«, entgegnete Michael.
    Nachdenklich runzelte sie die Stirn. »Sehr viele Personen kommen dafür nicht infrage.«
    »Nein, ganz bestimmt nicht«, sagte er, denn von den USB-Sticks wusste nur ein kleiner, auserwählter Kreis, und Zugang zum Tresor hatten nur wenige Mitarbeiter. So wie zum Zentralrechner. Da er die Angelegenheit aber
nicht an die große Glocke hängen wollte, bat er Frau Meierhöfer um Stillschweigen.
    »Sie können sich auf mich verlassen«, versicherte sie mit verschwörerischer Miene.
    Daraufhin sagte er zögernd: »Ich habe noch eine andere Bitte … Könnten Sie Ihre guten Kontakte innerhalb der Firma nutzen, um mehr über diesen Herrn Berger zu erfahren?«
    »Nichts leichter als das.« Sie lächelte verschmitzt, während sie einen Blick auf ihre Armbanduhr warf und erklärend hinzufügte: »Ich habe gleich meinen Pilateskurs, und zufälligerweise ist auch Frau Schulze vom Labor dabei. Morgen früh wissen wir mehr.«
    Frau Meierhöfer war einfach unschlagbar. Nicht mit Gold zu bezahlen!
    »Dann will ich Sie jetzt auf keinen Fall aufhalten«, rief Michael amüsiert. Nur eine letzte Frage hatte er noch: »Seit wann lassen wir eigentlich bei Dr. Kolberg testen? Würden Sie das morgen früh einmal nachschauen?«
    »Das muss ich nicht nachschauen«, erwiderte Frau Meierhöfer, »das weiß ich auch so. Wir lassen bei Dr. Kolberg testen, seit Ihr Vater aus der Westphal-Pharmazeutika MediCare gemacht hat. Dr. Kolberg hatte sein Testinstitut damals gerade eröffnet, und da die zwei alte Schulfreunde sind …«
    »Ach«, sagte Michael überrascht.
    »Wussten Sie das nicht?«, fragte sie spitz. »Ihr Vater und Dr. Kolberg kennen sich schon ewig. Dr. Kolberg war lange in Entwicklungsländern tätig, hauptsächlich in Afrika und Südamerika. Wenn Sie mich fragen, kam
Ihr Vater durch ihn überhaupt erst auf die Idee, Medikamente in diese Länder zu liefern.« Sie stand auf, strich ihren Mantel glatt und sagte: »Jetzt muss ich aber wirklich gehen, sonst komme ich noch zu spät zum Pilates.«

    Als Michael die Tür zur Villa aufschloss, stand seine Mutter im Empfangsbereich und machte einen ziemlich verstörten Eindruck.
    »Was ist los?«, wollte er wissen. »Hast du einen Geist gesehen?«
    »Das nicht«, sagte sie. »Aber die Puppen sind wieder da. Auf Papas Schreibtisch.«
    Ungläubig folgte er ihr ins Büro. Und tatsächlich saßen dort, auf dem Schreibtisch seines Vaters, die beiden Puppen. Die eine mit dem rosa Kleid und den Kulleraugen und auch die andere mit den schwarzen Locken und der Spitzenschürze.
    »Wie kommen die hierher?«, fragte Hilde.
    Er drehte sich nach allen Seiten um, als suche er einen Hinweis. Doch ihm fiel lediglich auf, wie leer und trostlos das Büro ohne die Bilder wirkte. Es war nicht mehr derselbe Raum, daran konnten auch die dicken Teppiche, die gediegenen Möbel und das weiche Licht nichts ändern. Dem Büro fehlte die Seele. Derjenige, der die Bilder zerstört hatte, hatte es zu einem Zimmer ohne Bedeutung degradiert. Die Atmosphäre glich der eines Friedhofs.
    Geistesabwesend starrte Michael die Puppen an, während in seinem Kopf sich die Bilder eines alten Super-8-Films
abspulten. Er sah einen Kindergeburtstag, eine Geburtstagstorte mit zehn brennenden Kerzen und kleine Mädchen, die mit Puppen spielten. Die Bilder waren in Schwarz-Weiß und ohne Ton und von Streifen durchzogen, so wie die der alten Familienaufnahmen, die sein Großvater früher mithilfe eines ratternden Vorführgerätes an die Wand geworfen hatte.
    »Müssen wir das nicht deinem Vater zeigen?«, hörte er seine Mutter sagen.
    Entschieden verneinte er. »Auf keinen Fall. Nachher denken diese Sicherheitsleute sich wieder irgendwelche Geschichten aus. Wir haben schon genug Durcheinander.«
    Dieses Argument schien sie zu überzeugen. »Du hast recht«, seufzte sie. »Wir haben tatsächlich schon genug Theater. Überall wollen diese Leute Alarmanlagen, Kameras und Bewegungsmelder installieren. Ich werde kein Fenster mehr aufmachen können, ohne vorher einen Zahlencode eingeben zu müssen, und wenn ich das vergesse, wird sofort Harry mit seinem Team anrücken. Das ganze Grundstück wird verkabelt, die Mauer höher gezogen, und selbst das Seeufer soll eingezäunt werden. Das Seeufer! Kannst du dir das vorstellen? Deshalb lässt dein Vater sogar das

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