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Puppentod

Titel: Puppentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Winter
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befreite sich aus seiner Umarmung und schnaubte in ein Taschentuch. »Dabei ist doch alles in Ordnung«, sagte sie und fügte mit ihrem einzigartigen Talent für Schönfärberei hinzu: »Rudolf ist kein schlechter Vater und auch kein schlechter Ehemann. Das war er nie.«
    Michael glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Aber er hat uns ständig nur herumkommandiert und hintangestellt«, hielt er dagegen. »Auch für dich hatte er kaum Zeit, weil er rund um die Uhr für die Firma da war. Immer ging es nur um die Firma. Alles andere zählte nicht.«
    »Na ja.« Sie zuckte mit den Schultern. »Er hat wirklich viel gearbeitet, das stimmt. Und wenig Zeit mit uns verbracht, das stimmt auch. Aber so hatte er auch keine Gelegenheit,
auf dumme Gedanken zu kommen und mich zu betrügen, so wie Renates Mann. Alles hat auch immer etwas Gutes. Sieh es doch einmal von dieser Seite.«
    Sprachlos starrte er sie an. Die Betrachtungsweise seiner Mutter versetzte ihn immer wieder in Erstaunen. Sie beherrschte eine Form des positiven Denkens, die ihm nicht zugänglich war. Mit ihr darüber zu diskutieren hatte allerdings keinen Sinn. Deshalb erwiderte er nur kurz und knapp: »Selbstverständlich.« Und in Gedanken fügte er hinzu: So kann man es natürlich auch sehen.

    Michael war fasziniert, als Lisa aus dem Bad kam, denn in einem solchen Aufzug hatte er sie noch nie gesehen. Sie trug einen weit geschnittenen, schwarzen Hosenanzug mit einer schneeweißen Bluse und einer schwarzen Krawatte. Dazu hatte sie die Haare hochgesteckt und einen knallroten Lippenstift aufgelegt. Sie wirkte maskulin, aber so sexy, dass er sie am liebsten sofort wieder ausgezogen und auf der Stelle verführt hätte. Nur leider war dazu keine Zeit, weil in zehn Minuten, um Punkt neunzehn Uhr, das Essen zum Hochzeitstag seiner Eltern begann.
    Der Hochzeitstag war für Hilde jedes Jahr ein großes Ereignis, und es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass er dieses Mal nicht mit vielen geladenen Gästen im Restaurant von Feinkost Käfer stattfand.
    Um trotzdem gebührend zu feiern, hatte sie in der Feinkostabteilung von Käfer einen Großeinkauf gestartet und den ganzen Tag über in ihrer Küche ein mehrgängiges
Menü gezaubert. Aus diesem Grund wollte Michael sie auch nicht warten lassen.
    Als er auf die Minute genau mit Lisa im Esszimmer erschien, erstrahlte der Raum in hellem Glanz. Überall brannten Kerzen in imposanten Leuchtern, die aussahen, als hätte Hilde sie aus Schloss Versailles kommen lassen; der Tisch war mit dem besten Geschirr gedeckt, Besteck und Gläser funkelten im Lichtermeer. Hilde trug ein langes, schwarzes Kleid mit einem bordeauxroten Seidenschal, als wollte sie in die Oper gehen, und Rudolf - ihr zuliebe - einen Smoking. Wie jedes Jahr. Und wie jedes Jahr gab es La Grande Dame , Hildes Lieblingschampagner.
    Zumindest für diesen Abend hatten Michael und sein Vater Waffenstillstand vereinbart. Jeder bemühte sich um gute Laune, doch sie vermieden es strikt, sich anzuschauen. Selbst beim Anstoßen blickten sie aneinander vorbei. Natürlich wurde dieses Verhalten von Hilde registriert, das las Michael in ihren Augen. Doch sie sagte nichts, um die Stimmung nicht zu verderben.
    Frau Beckstein, die heute auch am Abend blieb, servierte den ersten Gang. Es gab Hummer, so wie Hilde es geplant hatte. Danach stand Rudolf auf, um seine alljährliche Rede zu halten. Er klopfte an sein Glas, als wäre der Raum voller Gäste, und begann wie immer mit den Worten: »Meine über alles geliebte Hilde …«
    Sie strahlte ihn an. Sie war heute ganz die glückliche Ehefrau, auch wenn das Publikum fehlte. Er schenkte ihr ein Lächeln und sagte: »Ich danke dir für all die schönen Jahre, obwohl ich vielleicht nicht immer der Ehemann
war, den du dir erträumt hast. Aber ich habe mich redlich bemüht …«
    … dich glücklich zu machen, vervollständigte Michael in Gedanken den Satz. Sein Vater hatte diese Ansprache irgendwann einmal auswendig gelernt und trug sie nun jedes Jahr mit einer Inbrunst vor, als würde er auf der Bühne den Hamlet spielen.
    Unterdessen fuhr Rudolf fort: »Du, meine liebe Hilde, bist die Frau, die ich heute noch so liebe wie am ersten Tag. Du machst mich immer wieder sehr, sehr glücklich. Ich wünsche mir, dass das noch viele Jahre so bleibt. Deshalb nimm dieses kleine Präsent als Zeichen meiner Liebe und Zuneigung.« Daraufhin überreichte er ihr eine flache Schachtel, in rotes Geschenkpapier verpackt und mit einer riesigen goldenen

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