Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Purgatorio

Purgatorio

Titel: Purgatorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tomás Eloy Martínez
Vom Netzwerk:
nach dem Besuch bei Dr.Schroeder zeigte die Mutter keine Spuren der Krebsgeschwulst mehr. Die Ärzte, die zu einer Operation geraten hatten, unterzogen sie zwei weiteren Sigmoidoskopien und mussten ungläubig zugeben, dass das Gewebe gesund schien. Alles andere hatte sich verschlechtert. Sie erkannte nach wie vor niemanden, brachte Zeiten und Erinnerungen durcheinander und verlor die Kontrolle über die Schließmuskeln. Emilia musste zu ihrer Arbeit im Automobilklub zurück und konnte sie nicht weiter pflegen. In der Klinik hatte sie zwei tüchtige Krankenschwestern kennengelernt, die die Mutter lieb gewonnen hatten und sich bereit erklärten, sich abwechselnd um sie zu kümmern. Doch Dr.Dupuy hatte die Nase voll. Er fand, er habe auf den eisernen Überlebenswillen seiner Frau mehr als nötig Rücksicht genommen und müsse sie jetzt in einer geriatrischen Klinik bei Fachleuten unterbringen. Wenn Ethel beschlossen hatte, ewig zu sein, so würde sie dort eine vollkommene Ewigkeit genießen können, ohne Gedächtnis und ohne Außenwelt. Er hatte festgestellt, dass sie gleichgültig jede Form von Zuneigung akzeptierte. Wenn Chela sie auf die Stirn küsste, war ihr Ausdruck nicht anders, als wenn die Frau des Aals ihre Hände streichelte. Auf alles reagierte sie mit einem seligen Lächeln, das nichts bedeutete. Was konnte es also für einen Unterschied geben zwischen den Töchtern und zwei unbekannten Krankenschwestern? Wenigstens würden sie sie schneller sauber machen. Chela beharrte darauf, dass eine geriatrische Klinik das Beste wäre. Ihre Freundinnen kannten einige, wo die Patienten wie in Luxushotels behandelt würden. Emilia dagegen hatte nur scheußliche Berichte gehört: greise Menschen, die ihrem Schicksal überlassen waren, unzulängliches Essen, Laken und Matratzen, die weder gelüftet noch gewaschen wurden, Sterbezimmer, wo man die Menschen deponierte wie auf einem Abfallhaufen. Ihr übertreibt beide, sagte Dupuy. Ich sorge dafür, dass Ethel in die beste Anstalt von Buenos Aires kommt. Chelita wird bald heiraten, und wir werden nicht wissen, was wir an diesem Tag mit ihr anfangen, wie wir sie vor der Hektik, dem Telefon, den Gästen schützen sollen. Ich weiß immer, was das Beste ist, sagte Dupuy. Diesen Satz wiederholte Chela mit Begeisterung: Für mich wird immer das Beste sein, was Papa entscheidet.
    In einem Land, das seit vielen Jahren gespalten war, sah Dupuy stets voraus, welche Partei gewinnen würde, und zog sich rechtzeitig von den Verlierern zurück. Als er seine Frau in eine Anstalt in Parque Chacabuco einlieferte, war er stolz darauf, sich nie geirrt zu haben. Er hatte es geschafft, dass Marcelito Echarri der Verlobte von Chela wurde (er konnte nicht behaupten, er habe sich verliebt) und bereit war, sie zu ehelichen. In Bezug auf sie konnte sich nicht einmal der Vater etwas vormachen: Sie war launisch, oberflächlich, warf mit dem Geld um sich und erklärte sich bei der geringsten Anstrengung für erschöpft. Marcelito dagegen, der in Wharton das Staatsexamen mit Auszeichnung gemacht hatte, zeigte das Profil eines idealen Schwiegersohns. Er war Finanzberater in Miami, wollte aber nach Buenos Aires zurück. Als Dupuy das erfuhr, verpflichtete er ihn auf der Stelle, um für
La República
die Wirtschaftsanalysen zu verfassen. In seinen ersten Kolumnen empfahl Echarri den Staatsunternehmen, von den leicht erhältlichen Auslandskrediten zu profitieren, die Zinssätze waren erschwinglich und die Zahlungsfristen realistisch. Jetzt ist der Moment, hoch zu pokern, lautete seine immer wiederholte Botschaft. Und er hatte recht. Die Unternehmen bekamen Darlehen, ohne Risiken einzugehen, denn sie wurden von der Zentralbank unterstützt. Sie gewannen Vermögen und stellten Dupuy ihre Privatflugzeuge und Villen in Europa zur Verfügung. Der Respekt, den ich genieße, ist gerechtfertigt, sagte er zu Echarri. Nach so vielen Jahren ohne Fehler werde ich endlich respektiert und gefürchtet.
    Nur einen einzigen Irrtum hatte er sich vorzuwerfen, doch das würde er niemandem eingestehen. Und zwar, als er, die Richtschnur seiner Instinkte missachtend, die Eheschließung seiner älteren Tochter mit einem unbedeutenden Kartographen geduldet hatte, dessen Vorleben so vernachlässigbar schien, dass er keine Zeit darauf verschwendete, es zu erforschen. Das war ein folgenschwerer Ausrutscher. Der junge Mann war während seines Geographiestudiums Studentenführer gewesen, eingeschriebenes Mitglied bei der

Weitere Kostenlose Bücher