Purgatorio
Eisbergs, sagte der Bischof. Ich benötige Verstärkung. Von morgens bis abends höre ich mir reuige Extremisten und ihre Angehörigen an, rate ihnen, ihr Herz zu läutern und alles zu gestehen, was sie wissen. Damit krümme ich niemandem ein Härchen, im Gegenteil.
Es wurde angeklopft, und einer der Seminaristen streckte den Kopf herein. Ärgerlich wandte sich der Bischof um und wedelte ihn weg. Das genügte. Der Mann floh entsetzt. Versteht ihr die Befehle denn nicht? Könnt ihr mich nicht in Ruhe lassen? Er deutete auf einen Berg erledigter Akten neben der Wendeltreppe. Diese Geistlichen sind Neulinge und wissen nicht, wie man so viel menschlichem Elend Trost spenden kann. Und jetzt entschuldigen Sie mich, Doktor. Zählen Sie auf mich, um diese dumme Chelita zu verheiraten, wo Sie wollen, in der Santísimo-Basilika, in der Kirche Nuestra Señora del Pilar oder der Socorro, in der Kathedrale, wofür Sie sich auch entscheiden. Zwei, drei Wochen kann man noch zuwarten, was meinen Sie? Erlauben Sie mir die Empfehlung, dass das Brautpaar nur ein Weilchen auf dem Fest bleibt, um zudringliche Blicke zu vermeiden. Sie grüßen die Kommandanten und ziehen sich dann zurück. Die Kommandanten werden doch dabei sein, nicht wahr?
Selbstverständlich werde ich sie einladen.
Oh – und wenn Sie mit ihnen sprechen, sagen Sie ihnen, wie beschäftigt Sie mich gesehen haben.
Chela und Marcelo Echarro heirateten mit dem Pomp, von dem die Braut geträumt hatte. Die Sicherheitskordons funktionierten einwandfrei. Emilia rührte sich nicht von der Seite der Schwester; immer wenn jemand sie anstarrte, stellte sie sich vor sie. Und Dupuy hinderte die Zeitschriften daran, Fotos zu machen, und zwar alle, auch die ergebenen. Niemand erinnerte sich an Señora Ethel; man munkelte, wegen eines unheilbaren Krebses habe man sie in eine Klinik in der Schweiz einliefern müssen, wo die Familie sie allmonatlich besuche.
Die Hochzeitsreise dauerte drei Monate. In einer uruguayischen Klinik hatte Chela eine glückliche Geburt (einen vier Kilo schweren Jungen), und sie gab ein Vermögen für Telefongespräche mit den Freundinnen aus. Nach der Rückkehr langweilte sie sich beim Wickeln und bei den Seifenopern zu Tode, während Marcelo frühmorgens in die Redaktion von
La República
ging und erst spätabends todmüde wieder nach Hause kam. Die Ehe war so, wie sie es sich vorgestellt hatte: eine Routineangelegenheit ohne Erleichterung und Zerstreuung, die sämtliche Liebesflammen erstickte, ehe sie überhaupt aufgelodert waren. Ihr Mann schrieb immer weniger für die Zeitung und ließ sich vom Rausch neuer Geschäfte mitreißen, die im Militärargentinien blühten und deren Auslöser die leicht erhältlichen Kredite und der billige Dollar waren. Er importierte ebenso unnütze wie unbekannte Dinge, die die Leute in der Calle Lavalle unbesehen kauften. Der Schwiegervater war sein Führer. Er machte ihn, lange bevor es so weit war, darauf aufmerksam, dass die Regierung alle Importrechte beschneiden würde, damit die landeseigene Industrie Wettbewerbsfähigkeit erlange. Wie wild begann Marcelo in Hongkong Uhren, in Malaysia Schraubenzieher, in Taiwan Hemden, in Frankreich unechte Fischotter- und Persianermäntel einzukaufen. Wie ausgefallen seine Artikel auch waren, die Händler rissen sie ihm aus den Händen und bezahlten in bar, um die Gier ihrer Kunden zu befriedigen. Der Schwiegersohn schlief kaum noch, dennoch nahm er sich die Zeit, Dupuy zu unterstützen – täglich verbrachte er eine Stunde in
La República
und diktierte den Schreibern optimistische Prognosen zu einer Wirtschaft, die bereits gegen Spekulanten und Schwarzseher gefeit war. Die herstellenden Betriebe waren erledigt, es kümmerte keinen, dass sie zusammenbrachen. Das Geheimnis des Reichtums bestand darin zu warten, dass sich das Geld in den Finanzgesellschaften von allein vervielfachte, und das war es, was Marcelito tat, obwohl er sich hütete, es zu publizieren. Seine Artikel empfahlen Maß, Besonnenheit, wiederholten die Fabel von der verschwenderischen Heuschrecke und der sparsamen Ameise, doch er trug das Vermögen, das er verdiente, auf die Banken, die ihm der Schwiegervater angab: die, die zwölf oder dreizehn Prozent Zins pro Monat bezahlten und im Schutz des Staates mit vollen Segeln dahinglitten.
Chela konnte die Veränderung des Ehemannes nur schwer akzeptieren. Auch sie hatte sich verändert. Sie war dick, hatte immer eine Schachtel Schokoladenplätzchen neben sich und
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