Purgatorio
Universitätsjugend der peronistischen Guerilla und ein Linker mit so arroganten Ideen, dass er es sogar wagte, sie in der friedlichen Stimmung der Mittagessen im Familienkreis darzulegen. Aus reiner Gewohnheit ließ er ihn zwar überprüfen, doch die Dossiers erreichten ihn zu spät, nach dem kirchlichen Segen der Eheschließung, als es nicht mehr möglich war, auf Erden aufzulösen, was Gott im Himmel verknüpft hatte.
Dupuy war den alten christlichen Grundätzen immer treu geblieben und sich sicher, dass ihn Gott dafür mit Segnungen überhäufen würde. Er erwartete Überraschungen von Emilia, von der dementen Gattin, nicht jedoch von Chela. Aber gerade sie war es, die seinen Glauben auf die Probe stellte.
Wenige Monate vor dem für die Hochzeit anberaumten Termin erwachte sie jeden Tag mit den Augenringen einer Kranken, wanderte bis weit in den Nachmittag hinein durchs Haus, ohne sich anzuziehen, schloss sich stundenlang im Bad ein und nahm sich nicht einmal die Mühe, ans Telefon zu gehen, das ständig klingelte. Das Telefon war ihre große Leidenschaft gewesen, nichts begeisterte sie mehr, als mit den Freundinnen über die Details ihrer Aussteuer zu plaudern, über die passenden Strandkleider, wie viele Hanfschuhe es mitzunehmen galt, ob es romantischer war, die Flitterwochen in Bahía oder in Ipanema zu verbringen. Der Hochzeitstag rückte näher, und Chela klebte noch immer am Fernseher, ließ sich von den Nachmittagsseifenopern rühren, als hätte sie beschlossen, sich von der Welt abzuwenden. Zwischen einer Karmeliterin und ihr gab es keinen großen Unterschied. Auf die Beine brachten sie nur die Besuche Marcelo Echarris, der immer pünktlich nach Feierabend bei
La República
kam. Sie zog sich mit ihm in ihr Zimmer zurück, das bereits nach Feuchtigkeit und schmutzigen Kleidern müffelte, und redete, redete stundenlang. Emilia war neugierig, was die beiden denn so lange aufhielt, und schließlich fasste sie sich ein Herz und fragte die Schwester, mit der sie seit Monaten kein Wort mehr gewechselt hatte.
Ich weiß nicht, worauf du noch wartest, sagte sie zu ihr. Aber es kann doch nicht so ernst sein, dass du gleich im Bett bleiben und sterben willst. Wenn du Marcelo nicht mehr liebst, findet sich leicht eine Lösung. Du verschiebst die Hochzeit, annullierst sie. Für einen Fehler wie diesen büßt man ein Leben lang. Er ist stark, intelligent, er wird es dir nicht übelnehmen.
Du verstehst nicht, unterbrach Chela sie. Es ist ernst, sehr ernst. Ich kann nicht heiraten. Das wäre eine Blamage. Ich bin schwanger. Wenn du genau hinschaust, kannst du’s schon sehen. Ich trage weite Kleider, wie sie glücklicherweise in Mode sind, ländlicher Stil, Rüschen, Überröcke und so, aber dieser Scheißbauch wächst und wächst. Sie weinte untröstlich, schmerzerfüllt. Wer ist denn der Vater?, fragte Emilia alarmiert. Wer soll es schon sein?, rief Chela. Marcelo. Du wirst mich ja kaum für eine Nutte halten. Wo ist also das Problem? Will er dich nicht mehr heiraten? Will er das Baby nicht, will er dich nicht? Nein, nein, mein Gott, was es doch braucht, bis du etwas kapierst. Kaum zu glauben, dass wir Schwestern sind. Ich bin es, die das Baby nicht will. Ich will abtreiben, bevor es zu spät ist. Vor drei Monaten ist zum ersten Mal die Regel ausgeblieben. So kann ich nicht heiraten, ich will nicht, dass mich vierhundert Menschen mit aufgeblasenem Bauch sehen. Kannst du dir das Gerede vorstellen, den Klatsch? Man wird sich fragen, so wie du gerade eben, ob Marcelo der Vater ist oder ob Papa ihn zum Heiraten zwingt. Siehst du mich mit einem solchen Bauch in Weiß die Kirche betreten? Was für eine Riesenblamage. Es wird in allen Zeitschriften stehen, die Blamage des Jahres. Keiner wird ein Wort schreiben, sagte Emilia. Papa würde das Klatschmaul in Stücke reißen. Und du beruhige dich erst mal. Kinder versteckt man nicht, und man treibt sie nicht ab. Man muss es Papa sagen, ehe dein Gynäkologe es tut.
Am selben Abend sprach sie mit dem Vater. Zuerst spielte sie das Problem herunter. Sie sagte, die Familie sei verpflichtet, Chela zu unterstützen. Marcelo?, wunderte sich Dupuy. Ich kann nicht glauben, dass er mich verraten hat. Was geschehen ist, ist etwas Natürliches, Papa, kein Verrat. Mama ist krank geworden, und wir haben Chelita lange allein gelassen. Eine Versuchung hat zur nächsten geführt. Was wollt ihr jetzt tun? Chela will abtreiben, um diese Schmach nicht zu erleben, aber die Idee habe ich ihr
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