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Purgatorio

Purgatorio

Titel: Purgatorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tomás Eloy Martínez
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Kopf, für die Drogenhändler, die immer zahlreicher aus Kolumbien und Mexiko herbeiströmten, Geld zu waschen, aber er wusste, dass er, wenn er sich verschuldete und sie nicht rechtzeitig auszahlte, das eigene Todesurteil unterschrieb. Ich kann nicht so viel aufs Spiel setzen, ich habe nicht den Mumm, dich als Witwe und allein mit dem Baby zurückzulassen, sagte er zu Chela. Du musst Papa aufsuchen, insistierte sie, wie oft soll ich’s dir noch sagen? Einige Tage lang zauderte Marcelo. Endlich entschloss er sich dazu, als bereits Tausende erzürnte Sparer vor seiner Bank demonstrierten, die Scheiben einschlugen, Möbel zertrümmerten und Telefone, falsche Bilder und Schreibmaschinen mitnahmen. Seine Schulden beliefen sich mittlerweile auf über zweihundert Millionen.
    Er lud Dr.Dupuy in den Jockeyclub ein, wo sie geschützt vor indiskreten Zeugen zu Mittag essen konnten. Ohne Umschweife erzählte er ihm von seiner aussichtslosen Lage, bemühte sämtliche rhetorischen Mitleidsfiguren, die er kannte, ohne dass sich auf dem Gesicht des Schwiegervaters auch nur der geringste Muskel regte.
    Dupuy hörte ungerührt zu. Er streifte ihn mit einem eisigen Blick, blieb eine Weile schweigend sitzen und hatte nur Augen für den Shrimpscocktail, der eben vor ihn hingestellt wurde.
    Marcelo hätte ihm beinahe ein Foto seines Söhnchens gezeigt, des einzigen Enkels von Dupuy, und bereitete für alle Fälle schon eine Träne vor, aber so sehr brauchte er sich dann doch nicht zu entwürdigen.
    Wie sollen wir diese Geschichte in
La República
anbringen, Marcelo? Welche Erklärung können wir abgeben, wenn es keine gibt? Wie sollen die Leser und die Ehrenmänner, die zwanzig Jahre lang an mich geglaubt haben, weiterhin an mich glauben?
    In keinem Moment erhob Dupuy die Stimme, aber sie klang, als nähme sie den ganzen Himmel ein: Sie werden nicht verstehen, dass ich dir bei der Zeitung eine derart verantwortungsvolle Stelle verschafft habe, wenn du doch eine Null bist, die sich nicht einmal vor dem bewahren konnte, was ihr selbst zustoßen sollte. Man wird mich fragen, warum ich dich nicht gewarnt habe. Wie soll ich ihnen sagen, dass ich dich durchaus gewarnt habe, dass ich dir mehr Zeit als jedem anderen zugestanden habe und dass du so blöd warst, nicht auf mich zu hören?
    Marcelo zitterte. Es war nicht der Moment, um Verzeihung zu bitten, wozu auch, er hatte diesen langen Weg im Glauben zurückgelegt, sich in nichts zu irren, und jetzt entdeckte er, dass sein einziger Fehler, der einzige, den zu bereuen sein ganzes Leben nicht ausreichen würde, darin bestand, nicht auf die unfehlbare Stimme des Schwiegervaters gehört zu haben.
    Da gehen nicht nur eine Menge Banken ein, sagte Dupuy. Das ganze System stürzt zusammen, die ausländischen Darlehen sind aufgezehrt, und auch vom Land wird verlangt, dass es seine Schulden bezahlt. Selbst wenn ich wollte (und ich will und kann nicht), wie stünde ich da, wenn ich um einen Rettungsring für dich armen Tropf bitte, während die ganze
Titanic
untergeht?
    Marcelo versagte die Stimme, er fühlte sich am Rand der Tränen.
    Was raten Sie mir also?
    Zu gehen. Und bevor du gehst, überleg dir, wie du deinen Namen retten kannst. Sehr zu meinem Leidwesen ist es auch der meines Enkels.
    Das habe ich mir schon überlegt. Ich wollte eine Betriebsprüfung, eine Steuerprüfung anberaumen, aber ich habe keine Zeit, die roten Zahlen zu ändern und die Fälschungen zu vertuschen. Sie werden einsehen, dass der einzige Ausweg, der mir bleibt, der ist, dass der Staat meine Schulden übernimmt. Man könnte mit den Kommandanten sprechen, aber wenn das Schiff so havariert ist, wie Sie sagen, sind mir die Hände gebunden.
    Mehr als gebunden. Man wird sie dir abhauen. Die Kommandanten riskieren für niemanden etwas. Sie hacken sich schon gegenseitig die Augen aus. Hältst du auch einer nachsichtigen Betriebsprüfung nicht stand? Ganz und gar nicht?
    Nein. Wohin sie schauen, sie werden belastende Papiere finden.
    Papiere, wiederholte Dupuy. Eine Weile schwieg er. Marcelo fürchtete sein Schweigen mehr als seine Giftzunge. Papiere sind vergängliches Material. Sind sie weit verstreut?
    Weiter, als mir lieb ist.
    Wie lange würdest du brauchen, um sie in einem einzigen Raum zusammenzutragen? Du musst sie vereinen, als wären sie die Knochen, mit denen du vor dem Jüngsten Gericht erscheinst. Ohne auch nur eine Faser, eine Briefmarke, einen leeren Aktendeckel draußen zu lassen.
    Vierundzwanzig Stunden,

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