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Purgatorio

Purgatorio

Titel: Purgatorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tomás Eloy Martínez
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sechsunddreißig, ich weiß nicht. Etwas länger, wenn die Filialen saumselig sind.
    Das ist viel. Dein Pressebüro müsste noch heute verkünden, dass du Ordnung in deine Archive bringst, damit die Regierung die Redlichkeit feststellen kann, mit der du gehandelt hast. Es muss Wiedergutmachung für die üble Nachrede fordern. Und sagen, dass du nach Beendigung der Prüfung bis auf den letzten Centavo alles zurückzahlen wirst. Deine Botschaft muss ehrlich klingen. Wiederhol doch diesen lateinischen Spruch deiner Bank –
Fac rectum …
Wie geht’s noch weiter?
    Ich verstehe nicht, Dr.Dupuy.
    Marcelito Echarri, der in Wharton selbst die vertracktesten theoretischen Gleichungen gelöst hatte, war jetzt verwirrt. Wenn ich eine Prüfung beantrage, wird man in der ersten halben Stunde genügend Beweismaterial finden, um mich festzunehmen. Es wird besser sein, ich verlasse das Land, wie Sie sagten. Chela und dem Baby wird es gutgehen, machen Sie sich keine Sorgen.
    Um sie mache ich mir keine Sorgen. Ich mache mir um mich Sorgen. Du hast
La República
und mich in diesen Schlamassel hineingeritten, und du sollst uns da auch wieder rausholen. Du wirst es nicht allein tun – in deinem Zustand bist du zu nichts zu gebrauchen. Ich werde dich anleiten. Du wirst mit Chela und meinem Enkel verschwinden, aber noch nicht gleich.
    Was soll ich tun, Doktor? Ich tue alles, was Sie sagen.
    Deine Geschäftsführer sollen gleich morgen sämtliche Dokumente zusammentragen, nachdem den Zeitungen deine Reinigungsaktion bekanntgegeben worden ist. Und du kündigst an, während der Buchprüfung mit deiner Frau und deinem Sohn in Urlaub zu fahren. Such dir einen schönen Ort aus. Vielleicht kommst du nicht zurück.
    Mit den Papieren müssten echte Vertrauenspersonen betraut werden. Seien Sie unbesorgt, ich werde nichts außer Acht lassen.
    Mit dir kann man nicht mehr unbesorgt sein. Hab ein genaues Auge auf die Papiere. Ich werde offizielle Lastwagen schicken, um sie einzusammeln und in der Halle deiner Bank abzuliefern. Alles soll genau an seinem Ort bleiben, auch die Möbel und Bilder. Sobald die Türen geschlossen sind, wird ein Jahrhundertbrand ausbrechen.
    Ein zufälliger Brand? Das wird keiner glauben.
    Nichts ist zufällig. Es wird ein Sabotageakt sein. Gegen dich, gegen mich, gegen die Kommandanten. Eine weitere Großtat der Subversiven. In den Trümmern wird kein bisschen Glut zurückbleiben.
    Zwei Tage später erklärte Marcelo Echarri den Radiosendern von Miami aus, das entsetzliche Unglück (er sagte
Unglück
, daran erinnern sich alle) habe ihn ruiniert. Das ganze Bargeld in den Panzerschränken ist verbrannt, sagte er. Millionen Inhaberobligationen, ein Harlekin von Picasso, einer der Kardinäle von Francis Bacon sind verbrannt, Schätze, die die Menschheit nicht ersetzen kann. Er habe keine Zweifel, dass die Subversiven die Schuldigen seien. Es ist, sagte er, ein weiteres Verbrechen gegen das Land, den Frieden und den Sparwillen seiner Menschen begangen worden.
    Nach diesem Kurzauftritt hörte man nichts mehr von ihm. Die Kommandanten versprachen, den Unglücksfall bis in die letzten Konsequenzen zu untersuchen und die Schuldigen zu verfolgen, wo immer sie sich verbergen. Nach wenigen Stunden wurden sechs Verdächtige, die sich in einem Schuppen im Hafen versteckt hatten, von einer Schiffspatrouille erwischt und kamen bei der Begegnung ums Leben. Marcelito zog mit seiner Familie auf die Bahamas und dann, nachdem die letzte Glut des Brandes erloschen war, ins texanische San Antonio, wo er Konzessionär einer Luxusautomarke wurde und ein Haus in The Dominion kaufte, dem exklusivsten Countryclub der Stadt. Von Nassau aus rief Chela Emilia an und erzählte ihr, sie sei wieder schwanger.
     
    Wie immer am Samstagabend hat Emilia keine Lust zu kochen und schickt sich an, das japanische Essen zu bestellen, das Sultan Wok und Megumi ins Haus liefern. Als Simón und sie in Buenos Aires lebten, waren japanische Gerichte noch exotisch, und sie weiß nicht, ob er sie inzwischen woanders gegessen hat und ob sie ihm schmecken.
    Warum fragst du mich?, sagt ihr Mann. Ich will das, was du willst.
    Als sie zum Telefon geht, um die Bestellung aufzugeben, kommt ihr ein Anruf zuvor. Es ist Nancy, beunruhigt, weil sie in den letzten Tagen nichts von ihr gehört hat. Sie will der Freundin unbedingt die Mappe mit den Ausschnitten zurückgeben, die sie ihr zum Sortieren überlassen hat. Das war vor einer Woche. Ich bring sie dir, sie ist fertig,

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