Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
denn bereits lange vor ihrer Zeit hatte er sich vorgenommen, eines Tages das Geheimnis von murex trunculus, der Purpurschnecke, zu lüften. Nicht Elfenbein, das Gold aus Tombouctou oder andere sagenhafte Kostbarkeiten des Südens, die die großen Karawanen heranschafften, hatten ihn an diese Küste gelockt, sondern die Rätsel des Purpurs.
» Purpur gilt als göttliche Farbe. Schon seit Moses’ Zeiten tragen Kaiser, Könige und alle anderen Mächtigen der Welt mit Vorliebe purpurne Gewänder«, hatte er erklärt. » Purpur ist edel, kostbarer als Gold und besitzt eine nahezu mythische Aura. Schon Plinius beschreibt die Murex , insbesondere erwähnt er die Säfte der Purpurschnecke in seiner Naturalis Historiae, man kennt allerdings keine Aufzeichnungen mehr über die Herstellung und Verarbeitung dieses Farbstoffes . Offenbar wurden die Anleitungen seit Generationen nur mündlich überliefert, so dass dieses uralte Wissen inzwischen gänzlich in Vergessenheit geraten ist. Man müsste also ganz von vorn beginnen und die Eigenschaften und Wirkungen der verschiedenen Substanzen genauestens untersuchen … Ach, diesem Geheimnis würde ich liebend gern auf den Grund kommen.«
Seine Forschungen allerdings verliefen überraschend erfolgreich, so dass er schon bald daran denken konnte, eine Färberei aufzubauen. An der Küste bei Mogador gab es Murex im Überfluss, man brauchte allerdings auch Unmengen davon, wahre Berge dieser glitschigen, gefräßigen Tiere, um genug für einen einzigen Färbebottich zu bekommen.
Aber wie das stank! Der Gestank war schon während der allerersten Erprobungsphase schnell unerträglich geworden. Der portugiesische Festungskommandant hatte Abu Alî deshalb gedrängt, auf zwei der vorgelagerten Inseln auszuweichen, wo der Wind alle Gerüche von der Stadt fortblasen konnte.
Obwohl sie ihm vieles abnahm und ihn nach Kräften unterstützte, hatte der Aufbau der Färberei den Abu in letzter Zeit viel Kraft gekostet. Er war nicht mehr der Jüngste, dachte Mirijam, inzwischen merkte man ihm sein Alter deutlich an. Ein weiterer Grund, warum sie nicht mit irgendwelchen unklaren Ahnungen und wirren Gefühlen zu ihm gehen konnte …
» Lâlla, der Hakim sagt, du sollst die neue Farbe begutachten. Wunderschön, nicht wahr?«
Erschreckt fuhr Mirijam herum, vor lauter Grübelei hatte sie Haditha nicht kommen hören. Nun stand sie in der Tür und streckte ihr ein Körbchen mit Wolle entgegen.
Rot!, dachte Mirijam als Erstes und starrte auf die purpurfarbenen Wollstränge. Rot, das bedeutete Gewalt. Rot war für immer mit den Piraten und dem bagno verbunden. Immer noch, selbst nach dieser langen Zeit, gab es Tage, an denen sie die Farbe Rot als so beängstigend empfand, dass es ihr schier den Atem raubte.
Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück, dann warf sie ein Tuch über den Korb. Haditha, ihre schwarze Dienerin, war über diese Reaktion offensichtlich verärgert. Missbilligend schnalzte sie mit der Zunge, sagte jedoch nichts.
» Sind das seine neuesten Farbmuster?«, fragte Mirijam schließlich, als sich ihr Herzschlag ein wenig beruhigt hatte. » Gefällt es dem Hakim?«
» Ouacha, endlich einmal hat alles gut geklappt, sagte er. Die Wolle hing übrigens nicht die gesamte Zeit in der prallen Sonne, sie trocknete zum Schluss im Schatten, soll ich dir ausrichten. Und noch etwas soll ich dir bestellen – was war das noch? Ach ja, er sagte, dies sei die Farbe der Senatoren.« Das fremde Wort hatte sie wohl auswendig gelernt, und es ging ihr nur schwer über die Lippen.
Die » Farbe der Senatoren« zu erzeugen war Abu Alîs erklärtes Ziel, und zwar am liebsten purpureo sanguineo, den blutroten Farbton. Diesem leuchtenden Purpur, der zur Zeit der Cäsaren den Togen der römischen Senatoren vorbehalten war und noch heute die Gewänder von Päpsten und Königen zierte, hatte er sich mit Haut und Haaren verschrieben.
» Der kostbarste und geheimnisvollste Farbstoff, den es gibt!«, hatte er ihr erst neulich vorgeschwärmt. Dabei war an der Zubereitung des Grundstoffes eigentlich nichts Rätselhaftes, anders, als er zunächst gedacht hatte.
Nach ein paar Tagen im Salz vermischte man die Schneckenteile mit reichlich Esels- und Schafurin und kochte alles so lange, bis eine zähe Brühe entstand. Damit hatte er seine ersten Versuche angestellt. Zunächst waren die Ergebnisse eher ernüchternd ausgefallen: fahles Gelb statt leuchtendes Violett oder dunkles Rot! Immer wieder hatte der Hakim
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