Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Hersteller kostbarer Gewänder und Stoffe, ist das natürlich eine außerordentlich interessante Auffassung.« Alvaréz grinste, und allen war klar, in welche Richtung seine Bemerkung zielte.
Der Kapitän nahm eine Kleinigkeit von der Platte mit den Mandelmonden in Honig, kaute genussvoll und leckte seine Fingerspitzen ab. Danach tunkte er sie in eine Schale mit Zitronenwasser. Dabei warf er Mirijam einen langen Blick zu, der ihr das Blut in die Wangen trieb. Sie fühlte sich ertappt, da sie ihn schon eine ganze Weile unverhohlen angestarrt hatte. Er lächelte, bevor er seinen Augen erlaubte, einmal kurz umherzuschweifen.
Unwillkürlich folgte Mirijam seinem Blick. Das schöne Haus strahlte Gediegenheit aus. Es war wie die meisten Häuser in Mogador aus luftgetrockneten Lehmziegeln erbaut, dabei glatt verputzt und leuchtend weiß gestrichen. Geschnitzte Türen, Böden mit glasierten Fliesen und polierte Wände, dazu kostbare, von ihr selbst gefertigte Teppiche in den Farben der Erde und des Himmels, dazu weiche Polster, Kissen und Tischchen in allen Größen – wohnlicher konnte ein Heim kaum sein. Aus dem Atriumgarten mit dem plätschernden Brunnen strömte der Duft von Rosen und Zitronenblüten herein. Mirijam liebte ihr Zuhause sehr, auch wenn sie immer etwas zu verbessern und zu verschönern fand.
» Seid Ihr Euch bewusst, Sherif«, fuhr Kapitän Alvaréz an Alî el-Mansour gewandt fort, senkte die Stimme und lehnte sich bequem in die weichen Kissen zurück, » seid Ihr Euch bewusst, dass die Purpurvorkommen in Tyrus im östlichen Mittelmeer der römischen Kurie nicht länger zur Verfügung stehen? Dass nach dem osmanischen Sieg über Konstantinopel und dem Fall der oströmischen Kirche im gesamten Mittelmeerraum nur mehr einige wenige, noch dazu sehr kleine Färbereien überlebt haben? Die römischen Kleiderkammern aber benötigen dringend Nachschub, wie mir mein Gewährsmann Kardinal Farnese vom päpstlichen Hof in Rom sagte.«
Der Hakim nickte.
Alvaréz nickte ebenfalls, bevor er fortfuhr: » Und hier nun kommt Ihr und Eure Tochter, Lâlla Azîza, mit ihrer Kunst ins Spiel. Mit Verlaub, dachtet Ihr schon jemals daran, indische oder persische Rohseide und Baumwolle aus Oberägypten mit Eurem Purpur zu veredeln?«
» Nein«, antwortete Mirijam an Abu Alîs Stelle. » Wozu auch? Wir fertigen für den hiesigen Bedarf und färben die Wolle der ansässigen Bauern. Übrigens solltet Ihr einmal unsere mit Henna, Indigo oder anderen einheimischen Pflanzen gefärbten Wollstoffe sehen, schönere Gelb-, Blau- und Grüntöne werdet Ihr kaum finden! Falls Ihr Euch dafür interessiert, zeige ich Euch gerne unsere Teppiche und Decken.«
Was bildete sich dieser Mann eigentlich ein? Zugegeben, er sah gut aus, und auch was er sagte, hatte Hand und Fuß, aber das gab ihm noch lange nicht das Recht, ihr in ihre Arbeit hineinzureden.
Zum Schluss ihrer Rede wurde Mirijams Stimme allerdings immer leiser, und schließlich verstummte sie ganz. Was war nur in sie gefahren? Verunsichert warf sie dem Hakim einen Blick zu. Der aber lächelte belustigt und nickte ihr zu.
» Da ich meine Kunst, wie Ihr es nennt, einzig meinem Abu verdanke«, fuhr sie mit neuem Schwung fort, » wird allein er über eine eventuelle Ausweitung unserer Färberei befinden. Allerdings möchte ich zu bedenken geben, dass wir für große Mengen kaum über die nötigen Kapazitäten verfügen. Denn ich habe Euch doch richtig verstanden, Kapitän, Ihr plant in Schiffsladungen und nicht in Mengen, die auf unseren Ochsenkarren Platz finden würden?«
» Die bestehenden Möglichkeiten ließen sich aber doch sicher erweitern, meine Liebe, meint Ihr nicht?«, fiel ihr der Kapitän eifrig ins Wort. » Die erforderlichen Stoffe könnte ich Euch jedenfalls verschaffen. Erste Muster befinden sich bereits an Bord der Santa Anna.«
Seine Augen blitzten. Doch er zügelte sichtlich sein Feuer und erklärte: » In nahezu jeder Stadt rund um das Mittelmeer kenne ich die Bevollmächtigten und Disponenten der großen europäischen Handelshäuser. Deshalb könnten wir nicht nur mit zuverlässigen Lieferungen, sondern ebenso sicher mit festen Abnehmern und guten Gewinnen rechnen. Vorausgesetzt, man zieht die Sache in großem Stil auf.«
Einen Moment lang ließ er seine Worte wirken. » Selbstverständlich«, sagte er und sah Mirijam dabei in die Augen, » selbstverständlich möchte ich nur zu gern Eure Teppiche sehen, Verehrteste, denn ich bin überzeugt, sie sind eine
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