Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Augenweide. Ihr solltet jedoch meine Seidenstoffe nicht vorschnell ablehnen, überlegt es Euch noch einmal. Zurzeit erwäge ich«, fuhr er an den Sherif gewandt fort, » selbst eine Handelsniederlassung in meiner Heimatstadt Lissabon zu gründen, schon um den geldgierigen Zwischenhandel zu umgehen. Das bedarf jedoch noch weiterer gründlicher Überlegungen, denn das hieße, zumindest vorübergehend dorthin überzusiedeln, dabei fühle ich mich in Santa Cruz de Aguér recht zufrieden. Zumal«, seine Augen glitzerten plötzlich, » ich soeben feststelle, dass hierzulande noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind.«
Hatte er Mirijam bei diesen Worten nicht sogar ein wenig zugezwinkert? Verwirrt senkte sie den Kopf.
Der alte Arzt aber ließ die Augen rasch zwischen den beiden hin- und hergehen. Eben noch hatte er ihr kurzes Geplänkel belächelt, jetzt hingegen wirkte er plötzlich nachdenklich.
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Zunächst hatte sie den mittelgroßen, kräftigen, sonnengebräunten Kapitän mit den schwarzen Locken wegen seines selbstbewussten Auftretens für einen Spanier gehalten. Spanier waren stolz und arrogant, das wusste jeder. Wie herablassend er über die Welt der Politik und des Handels redete und ihnen die Zusammenhänge erklärte, als seien der Abu und sie halbwilde, ungebildete Viehhirten! Und dann der gönnerhafte Vorschlag, seine Seidenstoffe mit Purpur zu veredeln, um sie danach auf der Weltbühne, für sie in seinen Augen natürlich unerreichbar, höchstbietend zu verhökern. Das hatte er zwar nicht genau so gesagt, aber ihr konnte er nichts vormachen, sie durchschaute ihn! Falls er ihr tatsächlich zugeblinzelt haben sollte, wäre das natürlich der Gipfel der Dreistigkeit gewesen.
Gleichzeitig war er ihr aber auch irgendwie sympathisch. Die glitzernden Augen und schwarzen Locken gefielen ihr nicht schlecht, ebenso wie die großen Hände, die offensichtlich zupacken konnten und an Arbeit gewöhnt waren. Aber besonders mochte sie seine fröhliche Unbefangenheit. Für einen Spaß war er bestimmt immer zu haben. Unwillkürlich lächelte sie.
Auf dem Bett ausgestreckt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, fand Mirijam lange keinen Schlaf. Dies war wieder einmal eine Situation, in der sie gern mit einer Freundin geredet hätte, die sie verstand. Ihrem Abu konnte sie sich nicht anvertrauen, den konnte man schließlich kaum mit einem Paar blitzender portugiesischer Augen behelligen!
Vermutlich hatte der Kapitän schon einiges erlebt, Gefährliches ebenso wie Schönes, so weit, wie er in der Welt herumkam. Und er hatte sicher bereits mit allen nur denkbaren Schwierigkeiten fertigwerden müssen. Sie schmiegte die Wange in die offene Hand und überließ sich ihren Träumereien.
Am nächsten Morgen beobachtete Haditha verblüfft, wie Mirijam nacheinander verschiedene Gewänder an den Körper hielt, ihr Spiegelbild kritisch begutachtete, nur um dann ein weiteres Gewand aus der Kiste zu nehmen und anzuprobieren.
» Auf der Schneckeninsel geht das Salz zur Neige, sagt Hassan.« Hadithas Versuch, Mirijams Aufmerksamkeit auf die Arbeit zu lenken, schlug fehl.
» Ich werde später hinüberfahren, jetzt habe ich keine Zeit«, antwortete die Herrin zerstreut und prüfte einen Kaftan mit breiter Borte am Halsausschnitt.
» Der Portugiese«, sagte Haditha nach einer Weile, in der sie Mirijams merkwürdiges Tun beobachtet hatte. » Er soll ein schönes Schiff haben.«
Mirijams Herz machte einen Satz, und sie errötete. » Tatsächlich? Ich habe es noch nicht gesehen«, antwortete sie mit gespieltem Gleichmut. » Kapitän Alvaréz wird übrigens nachher in die Werkstatt kommen, um unsere Teppiche zu prüfen.« Sie starrte auf ihr Abbild im Spiegel.
Mittlerweile war aus dem Mädchen eine ansehnliche junge Frau geworden, dennoch schaute sie sich nicht gern im Spiegel an, es machte sie verlegen. Dabei konnte sie mit ihrem herzförmigen Gesicht, den Bernsteinaugen und den Grübchen in den Wangen ganz zufrieden sein. Allerdings waren die starke Nase und besonders die krausen, unbändigen Haare eine Plage. Sie lehnte die Stirn an den Spiegel und genoss dessen Kühle.
Bisher hatte sie sich nicht sonderlich für ihr Aussehen interessiert, warum also ausgerechnet heute? Sie feuchtete den Finger mit Speichel an und strich ihre dichten Augenbrauen in Form.
» Man sagt, die Nacht habe er bei Capitão António auf der Festung verbracht. Er hat Würste und Schweinefleisch mitgebracht, die sie verspeist haben. Und Wein
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