Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
zu.
Jeden Tag das Gleiche, lächelte Mirijam. Der frühe Morgen war keine gute Zeit für Hussein, erst gegen Mittag würde er richtig wach sein. Aber sie mochte den aufrechten Mann gern, er war nicht nur fleißig, auf seine Art steckte auch ein Künstler in ihm. Ohne seine Unterstützung hätten die Knüpferinnen nicht so schnell gelernt, die neuen Teppichmuster auf dem dichten Webgrund zu knüpfen. Ihm gefiel es zwar nicht sonderlich, einer Frau gehorchen zu müssen, das wusste Mirijam, dennoch arbeiteten sie gut zusammen, vielleicht, weil offiziell immer noch Sîdi Alî der Inhaber der Färberei und Manufaktur und somit Husseins Brotherr war.
» Mir ist das recht, wir haben schließlich auch ohne ihn genug zu tun.« Damit hatte er natürlich recht, doch unwillkürlich seufzte Mirijam.
Leider interessierte sich Kapitän Alvaréz nicht sonderlich für das schöne Blau, das sanfte Grün oder das wunderbar leuchtende Safrangelb ihrer Teppiche und Decken, als er endlich die Werkstatt betrat. Er hatte tatsächlich nur für das kostbare Purpurrot Augen.
» Bedenkt, Senhora Azîza, worum es hier geht.« Er räusperte sich bereits zum wiederholten Male. Dabei strich er unentwegt über ein weiches, blaues Wolltuch. Aber nahm er es überhaupt wahr? Anstatt die Stoffe ernsthaft zu prüfen, glitten seine Augen immer wieder zu ihr.
Mirijam senkte den Blick und zupfte an ihrem Schleier. Auch sie war nicht bei der Sache. Mehr als auf seine Worte achtete sie auf den Klang und die Wärme seiner Stimme.
» Die besten golddurchwirkten Stoffe kommen aus Florenz, der schwerste Damast aus der Levante, die luftigste Spitze aus Brügge und die schönsten warmen Wolltuche aus England.« Während der Kapitän sich wieder gefangen zu haben schien, wirkte sie abgelenkt. Er griff nach ihren Händen. » Wohlgemerkt, ich spreche hier von Waren erster Güte, die jeden gewünschten Preis erzielen können.«
Mirijam nickte. Seine Hände fühlten sich fest an und strahlten Wärme aus, eine Wärme, die wie eine Welle ihren ganzen Körper erfasste. Verlegen schlug sie die Augen nieder. Auch der Kapitän stockte einen Moment, als hätte es ihm die Sprache verschlagen, dann jedoch riss er sich erneut zusammen. Er räusperte sich und fuhr fort: » Also, was ich sagen wollte: Die herrliche Seide aus Indien ist gegenwärtig äußerst schwer zu bekommen. Doch es scheint, als verzehre sich gerade deswegen alle Welt danach! So sind die Menschen nun einmal, Raritäten wecken ihre Besitzgier.«
Er lachte gutmütig, als fände er diese Schwäche der Menschen liebenswert und vollkommen natürlich. » Ich habe allerdings einen zuverlässigen Bevollmächtigten auf Malta, der uns über den Hafen von Iskenderun die allerbeste indische Seide liefern könnte. Ich habe mich gehütet, ihn zu fragen, auf welchen Wegen er darankommt! Einen Ballen habe ich Euch vorhin schicken lassen, Senhora Azîza. Wie gefällt sie Euch? Ist sie nicht einfach wunderschön?«
Rasch löste sie die Finger aus seinen Händen und legte sie auf die schimmernde Oberfläche der Seide. Sie schmeichelte ihren Fingerspitzen, so dass Mirijam nicht umhin konnte, ein ums andere Mal über die glatte Oberfläche zu streicheln. Wie weich sich das anfühlte und wie zart. Ein Gewand daraus würde sich vermutlich sanft an den Körper schmiegen, würde Brust und Hüften umfließen … Sie spürte, dass ihr erneut die Röte ins Gesicht stieg.
Auch ohne dass sie ihn anschaute, wusste sie, er beobachtete jede ihrer Regungen. Bildete sie sich das nur ein, oder war tatsächlich jeder Gedanke, jeder Blick und jedes Wort zwischen ihnen auf unerklärliche Weise mehrdeutig?
Hastig ließ sie die Seide los, griff nach einem ihrer Wollstränge und knetete ihn. Wolle, das war haltbar und handfest, man hatte etwas in der Hand. Damit kannte sie sich aus. Bei Wolle wusste sie genau, woran sie war und was sie davon zu halten hatte, aber Seide? Wieder errötete sie.
Der Kapitän schien auf eine Antwort zu warten. Was sollte sie ihm sagen? Sie konnte ihm schließlich nicht gestehen, dass er sie verwirrte und sie sich deshalb kaum mehr auskannte. Zudem konnte sie ihm schlecht erklären, dass gerade die Purpurfärberei für sie die mit Abstand ungeliebteste Arbeit war. Dieses leuchtende Rot, das unter ihren eigenen Händen entstand – für sie war es eine grässliche Farbe!
Mirijam nahm einen Strang ihrer gefärbten Wolle und legte sie auf den hellen Seidenstoff. Sie breitete die einzelnen Fäden dicht an dicht zu
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