Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
sollen sie auch getrunken haben.« Missbilligend schnalzte Haditha mit der Zunge. Sie lehnte alles ab, was im Koran verboten war. Zwar konnte sie das heilige Buch nicht selbst lesen, dennoch hielt sie sich streng an alle Vorschriften und Verbote, wie der Imam sie erklärt hatte.
» Warum erzählst du mir das? Haben wir etwa Schweinefleisch in unserer Küche? Also, was regst du dich über die Essgewohnheiten der Christen auf? Bei uns wird er essen, was auch wir essen«, entgegnete Mirijam abwehrend. Haditha konnte manchmal wirklich engstirnig sein! » Im Übrigen geht es bei Kapitän Alvaréz’ Besuch ums Geschäft und nicht um ein Gelage. Geh jetzt zu Cadidja, sie soll das Frühstück für den Sîdi vorbereiten.«
Schließlich entschied sie sich für das neue, zartgelbe Gewand, um den Portugiesen von der Schönheit ihrer anderen, ebenfalls selbst hergestellten Farben zu überzeugen. Als eine Art Zugeständnis wählte sie einen purpurgefärbten, jetzt aber noch zartgrünen Schleier, der erst im Laufe der nächsten Monate unter dem Einfluss von Sonne und Luft ein sattes Rot annehmen würde. Wenn es so weit war, würde sie ihn nicht mehr tragen; nach Möglichkeit mied sie immer noch alles Rote. Bis dahin aber würde ihr der federleichte Stoff viel Freude bereiten.
Selten hatte sie so viel Zeit zum Ankleiden benötigt wie an diesem Morgen.
Als Mirijam Abu Alîs Zimmer betrat, um mit ihm den Morgentee zu trinken, saß der Alte an seinem Pult. Die Hände ruhten auf einem Buch, und es schien, als habe er die ganze Nacht darin gelesen.
» Was hältst du von ihm?«, fragte sie und konnte nicht verhindern, dass ihr bei dieser Frage die Röte ins Gesicht stieg. Woher kam plötzlich das verstörende Kribbeln im Bauch? Unnötig geschäftig richtete sie die Gläser auf dem Tablett, bevor sie endlich den Tee eingoss. Sofort erfüllte frischer Kräuterduft den Raum.
» Laß mich raten: Du sprichst von Kapitän Miguel de Alvaréz?« Abu Alî lachte, legte aber gleich darauf begütigend seine Hand auf Mirijams Arm. » Natürlich weiß ich, von wem du sprichst. Nun, der Kapitän ist jung und stark, und er hat ehrgeizige Ziele«, fuhr er fort. » Sein Leben liegt vor ihm. Die Frage ist wohl eher, was du von ihm hältst?«
Außer einigen portugiesischen Soldaten und Zollbeamten, die in ihrer eigenen Welt innerhalb der Festungsmauern lebten und diese nur selten verließen, war Kapitän Alvaréz der erste Europäer, dem sie seit Jahren begegnet war. Wie sollte ausgerechnet sie ihn beurteilen können?
» Ich? Warum denn ich? Also, na ja … Ich denke, was er uns in geschäftlicher Hinsicht anbietet, bedeutete zwar eine gehörige Umstellung der Färberei, wäre aber durchaus möglich«, überlegte Mirijam laut und bemühte sich um Sachlichkeit. » Wir müssten mehrere neue Bottiche bauen, unsere Salzvorräte verdreifachen oder sogar vervierfachen, neue Trockengestelle errichten und häufiger als nur dreimal im Jahr, wie bisher, einen Färbedurchgang vornehmen. Aber vermutlich hat er recht, wenn er von guten Gewinnaussichten spricht, jedenfalls sofern er uns keine Lügenmärchen über seine Geschäftspartner aufgetischt hat.«
» Hast du auf diese Weise die Nacht verbracht, mit Rechnen und Planungen? Dann scheinst du interessiert zu sein und solltest auf sein Angebot eingehen«, meinte der alte Arzt, der sie nicht aus den Augen ließ. » Warte noch mit den zusätzlichen Bottichen und Trockengestellen, aber probier es aus. Mir scheint, es liegt kein großes Risiko darin, wenigstens einen Versuch zu unternehmen. Im schlimmsten Fall hättest du vielleicht eine Weile umsonst gearbeitet, dafür wärst du aber um eine Erfahrung reicher. Ich finde, das könnte man notfalls als Lohn betrachten. Und falls dich der Probelauf zufriedenstellt, erweiterst du die Färberei, und, wie sagte er noch? Ach ja, ziehst die Sache im großen Stil auf.«
Damit wandte er sich wieder seinem Buch zu.
Zwei Stoffballen warteten bereits in der Weberei auf Mirijam. Der eine bestand aus heller, kühl schimmernder Seide, und der zweite aus feinster gebleichter Baumwolle. Vorsichtig strich sie über die zarten Stoffe. Sie schmeichelten der Hand und würden sich sicher leicht färben lassen.
» Ein Matrose brachte dies schon kurz nach Tagesanbruch. Er sagte, sein Herr würde sich wegen einer Besprechung mit dem Festungskommandanten verspäten.« Hussein, der für die Weberei verantwortlich war, knurrte die Nachricht hervor und wandte sich wieder seinem Tee
Weitere Kostenlose Bücher