Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Valverde für das, was er uns angetan hat! Er sei auf ewig, ewig, ewig verdammt!
Nun habe ich alles erzählt, geliebtes Kind, Blut von meinem Blute und Nachfahre dieser geschundenen Familie.
Noch heute werde ich eine neue Seite im Buch meines Lebens aufschlagen und versuchen, unbelastet und frei mit Dir und für Dich zu leben. Diese Blätter aber werde ich gut verpacken und nicht mehr an ihren Inhalt denken. Wenn Du ein Mann geworden sein wirst, mein Sohn, oder eine Braut, die sich aufmacht, ihre eigene Familie zu gründen, meine Tochter, erst dann werden diese Blätter wieder ans Licht kommen. Denn dann wirst Du wissen wollen, wo Dein Lebensfluss einst entsprang.
Ich hoffe und wünsche, dass Freude und Glück Dein Leben prägen werden und sähe Dich gern fern jeder Gefahr. Was ich dazu beitragen kann, soll geschehen.
Erschüttert lehnte Mirijam den Kopf an das Fenster und ließ ihren Blick über den Hafen und die Bucht schweifen. Dort drüben, mit ihrem schäumenden Kranz aus Gischt nahezu schwerelos und vergoldet vom letzten Glanz der untergehenden Sonne, leuchteten die Purpurinseln.
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Mogador 1525
Zwei offene Boote suchten sich ihren Weg durch den schäumenden Gischtring der Insel und machten am Anleger fest. Während die Bootsbesatzung geflochtene Tragkörbe voll farbiger Wolle an Bord hievte und sicher verstaute, nahmen Arbeiterinnen in den offenen Schuppen weitere Wollstränge von den Trockengestellen ab, legten sie in bereitstehende Körbe und trugen sie zum Anleger hinunter. Am anderen Ende des Geländes deckten Arbeiter einen neu errichteten Schuppen mit einem Geflecht aus trockenen Palmwedeln ein und befestigten dieses Dach sorgfältig. Vom Anleger drangen die Stimmen der Männer herauf, die Mädchen antworteten und lachten, und von irgendwo war ein kleines Lied zu hören.
Mirijam lächelte. So gefiel es ihr. Sie dehnte den schmerzenden Rücken, strich mit dem Unterarm die Haare aus der Stirn und ließ den Blick über ihre Manufaktur schweifen.
Diese Insel, die größere von beiden, wurde wegen der Färberei Purpurinsel genannt, während die Nachbarinsel, die nicht nur kleiner, sondern auch felsiger war, aus naheliegenden Gründen Schneckeninsel hieß. Dort hatten sie neben einem stabilen Bootsanleger mehrere Becken angelegt, in denen der Schneckenvorrat lagerte. Die einzigen anderen Zeugnisse für die Anwesenheit von Menschen waren eine gemauerte Hütte und ein paar Feldsteinmauern.
Leider gab es auf beiden Inseln kaum natürlichen Schatten. Der Wind ließ es nicht zu, dass die wenigen Bäume, die hier zwischen Steinen und Felsbrocken überhaupt einen Platz zum Wurzeln gefunden hatten, über die Höhe der Felsen hinauswuchsen. Alles schien sich in ihren Windschatten zu ducken, auch die Bäume.
Aber inzwischen boten auf der Purpurinsel vier weiße, niedrige Häuser und etliche offene Schuppen, die zum Trocknen und zur Vorbereitung des Schneckenbreis dienten, hinreichenden Schutz vor der Sonne. Deren Kraft unterschätzte man leicht wegen des immerwährenden Windes. Die Steinmauern, die so geschickt zwischen die großen, vom Meer geschliffenen Steine und Felsen gesetzt waren, dass sie inzwischen das gesamte Areal um die Schuppen von etwa hundert mal zweihundert Fuß umschlossen, dienten als Windbrecher. Die neuen Bottiche allerdings hatte sie neben den alten an einem Platz errichtet, den der Wind unablässig umspielte. Diesen Ort hatte Abu Alî schon vor Jahren zu diesem Zweck ausgewählt, da hier die beständige Luftströmung nicht nur für Kühlung sorgte, sondern zur Erleichterung aller den Gestank, der bei der Verarbeitung der Purpurschnecken anfiel, zuverlässig aufs Meer hinaustrug.
» Lâlla Azîza, du sollst nach Hause kommen, der Sherif wartet.« Hassan, der junge Vorarbeiter, kam vom Anleger herauf und winkte schon von weitem.
Vermutlich sollte sie dem Abu vorlesen. Eigentlich war er ein geduldiger Mensch, zurzeit jedoch regte er sich sehr über seine verschiedenen Beschwerden auf und schimpfte über die Einschränkungen, die sie mit sich brachten. Zeit mit ihm zu verbringen, ihm vorzulesen und über das Gelesene zu sprechen brachte ihn stets auf andere Gedanken und hellte seine Stimmung auf.
Mirijam legte die lange Kelle beiseite, warf einen prüfenden Blick auf die dampfende Brühe im Bottich und deckte ihn sorgsam mit dem hölzernen Deckel ab. Dann winkte sie zurück. » Ich komme gleich.«
Endlich hatte der Sud die richtige Temperatur, neben dem Trocknungsprozess war dies der
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