Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
verriet. Zunächst würde er nach langer Zeit Miguel wiedertreffen. Gestern war der Freund im Hafen von Santa Cruz eingelaufen und hatte ihm eine Nachricht zukommen lassen. Er freute sich auf ihn. Bei all ihrer Verschiedenheit fühlte er sich dem Kapitän nach wie vor zutiefst verbunden.
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Kapitän Miguel de Alvaréz verließ den Palast der Kommandantur. Er triumphierte. Governador Dom Francisco hatte alle Argumente wohlwollend geprüft und schließlich sein Einverständnis gegeben. Das kleine Bestechungsgeld, das er für seine Privatschatulle beansprucht hatte, war kaum der Rede wert.
Eine Weile schlenderte der Kapitän durch den schattigen Park, bevor er die ummauerte Festung verließ und den Weg zum Hafen einschlug. Hier herrschte wie immer reger Betrieb, Hämmer klopften, Sägen kreischten, und es wimmelte von Menschen. Zimmerleute und Segelmacher, Schmiede und Kalfaterer arbeiteten an den Schiffen, Schauerleute rannten die wippenden Planken zwischen Kai und Schiff rauf und runter und entluden dickbauchige Handelsschiffe.
Hier in Santa Cruz am Fuße des Djebel El-Moun traf man Menschen aus aller Herren Länder, Engländer und Spanier, Berber und Araber, blonde, hünenhafte Männer aus dem hohen Norden, und natürlich jede Menge Portugiesen. Einige von ihnen waren Händler, andere Fischer oder Handwerker, die meisten jedoch fuhren als Matrosen auf den portugiesischen Schiffen, die die afrikanische Küste entlangsegelten. Bei Tag und bei Nacht drängte sich im Hafen eine brodelnde, quirlige Menge, und auf den Gassen und in den Lädchen wurde gefeilscht und verkauft, gestritten und geschuftet. Alles konnte man an diesem Handelsplatz erstehen, Gewürze, Elfenbein und Fisch, Getreide und Salz, Gold, Edelsteine und Silber – und Menschen.
Auch er hatte schon mit all diesen Waren gehandelt. Einige Male hatte er ebenfalls Sklaven von den südlichen portugiesischen Stützpunkten an der afrikanischen Küste abgeholt und nach Al-Maghrebija befördert. Aber eigentlich waren ihm derartige Aufträge von Herzen zuwider. Die armen Hunde wurden krank an Bord, sie kotzten vor Angst, selbst bei ruhiger See, und starben weg wie die Fliegen. Kein Wunder, denn sie wurden liegend angekettet, Schulter an Fuß, damit sie wie Fische in einer Kiste möglichst wenig Platz brauchten. Dazu kam der bestialische Gestank von den über dreihundert Körpern, die in ihrem eigenen Kot und den Pfützen von Erbrochenem liegen mussten. Leider konnte sich ein selbstständiger Kapitän seine Auftraggeber und seine Fracht nicht immer aussuchen. Daher musste er, um den Erhalt seines Schiffes zu sichern, hin und wieder auch Sklaven befördern.
In letzter Zeit allerdings fuhr er keine lebende Fracht mehr. Nicht mehr seit er im letztem Jahr das unerschöpfliche Dreieck, wie er es bei sich nannte, entdeckt hatte: Zuerst brachte er die Seide seines Agenten in Malta zusammen mit der Baumwolle aus Ägypten nach Al-Maghrebija zum Färben. Zusätzlich belud er sein Schiff mit Salz, das neben der Färberei auch die Fischer in Marokko und verschiedene andere Abnehmer in Südfrankreich benötigten. Mit den veredelten Stoffen segelte er nach Spanien und Frankreich. Dort kaufte er unter anderem dieses Tabakkraut aus der Neuen Welt, das er in allen Häfen, die er unterwegs anlief, gut losschlagen konnte. Außerdem nahm er in Frankreich Pelze an Bord sowie einige Fässer mit getrocknetem Fisch aus den nördlichen Ländern. Diese Fracht brachte er wiederum nach Ägypten, wo er sich erneut mit Baumwollstoffen eindecken konnte, bevor er erneut Malta ansteuerte.
Dieses System brachte ihm neben hervorragenden Erlösen und nützlichen Kontakten auch einen guten Ruf und darüber hinaus ein ruhiges Gewissen ein. Lediglich die elenden Korsaren, diese stetig zunehmende Plage, steigerten in letzter Zeit das Risiko. Immer häufiger konnte er seine Route nur noch im Konvoi mit mehreren anderen Handelsschiffen oder gar unter dem Schutz venezianischer Kriegsgaleeren befahren, was natürlich eine Stange Geld kostete.
» Bom día, mestre.« Miguel betrat die dunkle Werkstatt eines Seilers. In dem einzelnen Sonnenstrahl, der den langen, schmalen Arbeitsraum nur unzureichend erhellte, tanzte dichter Staub. » Die Santa Anna benötigt denmächst neue Taue für Wanten und Anker. Kann ich meinen Bootsmann vorbeischicken?«, rief er aufs Geratewohl in das Dämmerlicht.
» Ah, Kapitän Alvaréz, bom día«, tönte es aus dem Dunkel zurück. » Selbstverständlich, schickt ihn nur,
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